: Ökosteuer auf dem EU-Prüfstand
■ Die Ausnahmen für energieintensive Industrien von der Ökosteuer sind der EU ein Dorn im Auge. Die Regelungen könnten nachverhandelt werden, auch die Grünen wollen nachbessern
SPD und Grüne werden ihren Ökosteuer-Entwurf noch einmal kräftig umschreiben müssen. Zwar dementierte gestern die EU-Kommission einen Bericht, nach dem EU-Kartellwächter Karel van Miert den Gesetzentwurf bereits als wettbewerbswidrig abgelehnt hat. Klar ist aber auch, daß das Gesetz in der jetzigen Form mit den Ausnahmen für energieintensive Branchen kaum den Segen aus Brüssel bekommen wird.
Das räumte auch der Sprecher des Bundesfinanzministeriums Torsten Albig ein. „Es liegt in der Natur der Politik von van Miert, daß er das nicht gerne sieht.“ Weil das dem Finanzministerium klar war, hatte es den Geetzentwurf bereits vorab nach Brüssel zur Prüfung geschickt. Nach internen Informationen der taz hat es angeblich bereits eine telefonische Ablehnung aus Brüssel gegeben. Doch EU-Kommission wie Bundesfinanzministerium dementieren. Für insgesamt 27 Branchen, deren Energiekostenanteil über 6,4 Prozent liegt, soll laut dem rotgrünen Gesetzentwurf eine völlige Ausnahme von der Steuer gemacht werden. Das wäre für die Produzenten etwa von Zement, Stahl oder Chemikalien ein großes Geschenk, wie das Rheinisch- Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) errechnete: Die Senkung der Lohnnebenkosten brächte ihnen 110 Millionen Mark Entlastung. Allein die Chemieindustrie machte dann ein Plus von 30 Millionen Mark.
Bereits am 19. November war Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) in Brüssel, um die Stimmung zu erkunden. Offenbar war sie so schlecht, daß die Regierung am nächsten Tag das Inkrafttreten des Gesetzes auf den 1. April verschob. Dies bestätigte gestern der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Reinhard Loske. Heute werden die Staatssekretäre aus den Ministerien für Finanzen, für Umwelt und für Wirtschaft mit den Fraktionsexperten von Grünen und SPD zusammentreffen, um die Details der Regelung zu prüfen. Van Miert will solche Quersubventionen nur dann dulden, wenn sie zeitlich befristet sind, abnehmen und mit Verpflichtungen verbunden sind. Nach Auffassung des Umweltministeriums und der grünen Fraktion ist das durchaus im Rahmen des jetzigen Entwurfs zu leisten, wenn die Befreiung an ein Öko-Audit gebunden wird, in dem der Betrieb sich verpflichtet, seine Produktion nach Sparmöglichkeiten zu durchforsten.
Der SPD-Fraktionsvize Michael Müller ist da pessimistischer: Er hält es für wahrscheinlicher, daß die Ausnahmeregelung aufgehoben werden muß und dafür die Belastung der gesamten Industrie etwas gesenkt wird „von jetzt 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde Strom auf um die 0,4 Pfennig“. Auch die Grünen wollen laut Loske nicht, „daß die Industrie am Ende als Nettogewinner der Ökosteuer dasteht“. Auch die Grünen wollen noch einiges nachbessern. So wollen sie auch der Deutschen Bahn einen gemäßigten Ökosteuersatz ermöglichen, die nach dem bisherigen Entwurf sogar 2 Pfennig für ihren Strom zahlen müßte. Matthias Urbach
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