: Bündnis für Gleichberechtigung
Kommt nach dem Bündnis für Arbeit nun das Bündnis für Gleichberechtigung? In einem offenen Brief an Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) fordern WissenschaftlerInnen, PublizistInnen, PolitikerInnen und GewerkschafterInnen einen „Neuanfang in der Geschlechterpolitik“. „Nach zwanzig Jahren Engagement und einer breiten Etablierung scheint die Geschlechterpolitik in die Stagnation geraten zu sein“, heißt es darin. Der Anteil der Frauen an der Erwerbsarbeit sei nur im Bereich der Teilzeitarbeit und der ungeschützten Arbeitsverhältnisse gestiegen, nicht aber im Gesamtvolumen der bezahlten Arbeit. Genausowenig habe sich der Anteil der Männer in der unbezahlten Familienarbeit erhöht.
„Unsere Erfahrung und Überzeugung ist es jedoch“, schreiben die Unterzeichnenden, „daß das Recht von Frauen auf Chancengleichheit im Erwerbsleben sich nur in dem Maße verwirklichen läßt, wie es gelingt, Männer auch für die Aufgaben im Familienbereich zu gewinnen.“ Weil die herkömmliche Gleichstellungspolitik die „männliche Seite des Geschlechterverhältnisses zuwenig ins Blickfeld“ genommen habe, sei „ein Paradigmenwechsel und Neuanfang in der Geschlechterpolitik“ wünschenswert.
„Mehr Forschung, mehr Förderung, mehr Diskussion über Gründe der männlichen Fixierung auf die Erwerbsarbeit“ sei nötig, außerdem die „Einbeziehung von Männern in die Formulierung und Umsetzung dieses Politikfeldes“. Das bedeutet: „ein neues Bündnis für Gleichberechtigung!“ Die wesentlichen Projekte der Gleichberechtigung könnten nur „in einem Emanzipationsbündnis gegen die Stagnation und das Rollback in der Geschlechterfrage und damit gegen restaurative Tendenzen auf der Männer- wie auf der Frauenseite“ verwirklicht werden. Unterzeichnet haben den Brief unter anderem der Berliner Professor Peter Grottian, der Publizist Thomas Gesterkamp, Thomas Scheskat vom Göttinger Männerbüro, Dörthe Jung vom Frankfurter Frauenbüro, Christine Henry-Huthmacher von der Konrad-Adenauer- Stifung und Claudia Neusüß von der Heinrich-Böll-Stiftung.
Ganz ähnliche Forderungen erhebt der Berliner Soziologe Walter Hollstein. Im Rahmen einer Fachtagung der Freiburger Katholischen Akademie äußerte sich der Männerforscher kritisch über die geplanten Frauenförderprogramme der neuen Bundesregierung. Die geplanten Maßnahmen der Familienministerin atmeten den Geist der Siebziger, so Hollstein: „Claudia Nolte war da moderner.“ Frauenförderung sei zum Scheitern verurteilt, solange sich auf Männerseite nichts ändere.
Die Männerrolle sei nach wie vor von Leistungsdenken und unterdrückter Emotionalität geprägt. „Jungenarbeit“ und „Väterschulen“ seien deshalb unerläßliche Ergänzungen zur Frauenförderung, so der Forscher. Die traditionelle Fixierung auf Werte wie Geld, Erfolg und Statussymbole erzeuge eine innere Leere, die häufig in psychische Probleme und Suchtkrankheiten münde. Zwei Drittel aller chronisch Kranken seien Männer – ein ähnliches Verhältnis wie in der Selbstmörderstatistik. usch
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