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Windkraftanlagen abreißen

■ Konferenz der Naturschutzverbände fordert „Flurbereinigung“ für Windparks / Anlagen greifen in Naturschutzgebiete ein

Harte Kritik am Bestand und am Ausbau von Windparks an der Nordseeküste übte die Konferenz der Naturschutzverände in Ost-friesland auf ihrer Jahrestagung am Wochenende. In dieser Konferenz treffen sich Naturschutzverbände, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen der Region, um Aktionen zum Schutz der Natur zu koordinieren. Grundlage ihres Protestes gegen bestehende Windparks und den weiteren Ausbau ist eine jetzt erschienene Studie des Deutschen Naturschutzbundes (NABU). Diese Studie bewertet die gesamte niedersächsische Küstenregion, die Emsufer und die Weserufer bis Bremen nach ihrer Bedeutung für den Vogelschutz. Das Fazit: Das gesamte Untersuchungsgebiet ist international bedeutsam oder zumindest landesweit schutzwürdig.

„Wir fordern eine Flurbereinigung für Windparks“, sagt Matthias Schreiber vom NABU. Er hat die neue Studie mit Unterstützung des Landes Niedersachsen vorgelegt. Danach beeinträchtigen schon jetzt Windparks schützenswerte Rastvogelgebiete von internationaler Bedeutung. Direkt nennt er drei Windparks, die seiner Meinung nach sofort abgerissen werden müßten: „Das sind die Anlagen an der ostfriesischen Küste in Pilsum, in der Wesermarsch und in Hamswehrum.“

Dicke kommt es für den größten europäischen Windpark „Wybelsumer Polder“, der bei Emden geplant ist (wir berichteten). „Dieser Windpark kann nach geltendem europäischen Recht nicht gebaut werden“, sagt Matthias Schreiber. „Wenn dieser Park trotzdem gebaut wird“, so ein Konferenzteilnehmer, „gibt es keine sinnvolle Rechtsgrundlage mehr, aus Naturschutzgründen gegen einen Windpark zu klagen“.

Die Windkraftkritiker haben allerdings ein Problem. Das deutsche Institut für Windkraft in Wilhelmshaven (DEWI) weist gerade die Nordseeküste als einen der wenigen Standorte aus, an dem Windkraft in Deutschland überhaupt kostendeckend erzeugt werden kann. Aber da, wo im Gegensatz zu vielen anderen Windparks im Binnenland der stetige Wind die Rendite der Investoren in die Höhe treibt, da tummeln sich auch die großen Trupps von Sing- und Zwergschwänen, Goldregenpfeifern, Kiebitzen, Brachvögeln und Wildgänsen aller Art. „Ein knallharter Interessenskonflikt zwischen Wirtschaft und Natur“, meint Manfred Knake, ein Sprecher der Konferenz. Mehrere Grundsatzklagen sind bereits bei Gericht eingereicht worden. So soll beispielsweise geklärt werden: Wie nah darf eine Windkraftanlage an ein Naturschutzgebiet gebaut werden? Eine Grundsatzentscheidung würde für die mit Windkraftanlagen vollgestellte Nordseeküste weitreichende Folgen haben, darüber waren sich die KonferenzteilnehmerInnen einig.

Unbeeindruckt von dem Protest zeigt sich das Land Niedersachsen: Sowohl an der Küste als auch im emsländischen Binnenland wird auf einen verstärkten Ausbau der Windenergie gesetzt. Dabei ist die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit der Naturschutzverbände, gegen solche und ähnliche Großbaumaßnahmen (Emssperrwerk/Wesertunnel) zu klagen, in die Diskussion geraten. Teile der SPD, der CDU und Wirtschaftsverbände fordern eine Abschaffung dieser Verbandsklage. Damit wäre auch eine Kürzung der finanziellen Zuwendungen an die anerkannten Naturschutzverbände verbunden. „Wer die Verbandsklage abschaffen will, greift die Demokratie an“, sagte Gila Altmann, ostfriesische Bundestagsabgeordnete und neue grüne Staatssekretärin im Bundesumweltministerium dazu während der Konferenz. Und weiter: „Wir wollen dagegen die Möglichkeit zu Verbandsklagen bundesweit einräumen.“

Thomas Schumacher

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