: Wenn man vom Bahnhof aufs Parkhotel sehen will
■ Der Weg vom Bahnhof zum Bürgerpark wird noch schöner / Aber die Gustav-Deetjen-Allee wird nicht Allee
Eine Flaniermeile von der Stadt zum Bürgerpark sollte es sein, eine „prachtvolle Allee“, aber ein „desolater Zustand“ ist entstanden, eine „Hinterhof-Situation“. So hart geht ein Papier des Wirtschaftssenators mit dem Zustand der Gustav-Deetjen-Allee ins Gericht, jener undefinierbaren Straße am östlichen Rande der Bürgerweide, auf der irgendwo auch die Straßenbahnschienen verlaufen.
Eine „Sichtachse“ sollte die Menschen, die am Bahnhofsausgang stehen, auf den Weg zum Bürgerpark locken. Aber „die hier vorhandene Verbindung zum Bürgerpark, einem herausragenden Bestandteil der Stadt, kann überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden.“ Eine „Grünverbindung“ soll nun aus dem Hinterhof eine „grüne Visitenkarte“ machen, schreibt das Wirtschaftsressort, und den Bahnhofs-Ausgang „städtebaulich aufwerten“. Der Deetjen-Park wird aufgeräumt und transparenter gemacht, auch in der Wegeführung; das Stück Parkstraße, das ihn durchschneidet, wird „entwidmet“, d.h. zu Park. Vor allem aber soll der am nördlichen Ende der Allee angelegte „halbovale Grünbereich“ wieder in seiner ursprünglichen Funktion wiederhergestellt werden. Nach der Idee des Bürgerpark-Planers und ersten Park-Direktors Wilhelm Benque sollte diese „Zentralanlage“ am Hollersee einen Kontrast zum Bürgerpark bilden: War der Bürgerpark eher naturnah gestaltet, so sollten die beiden Halbbögen mit ihren Baumreihen streng geometrisch angeordnet sein.
Wo jetzt die Straßenbahnhaltestelle die beiden Halbbögen optisch entwertet, soll ein Rosenbeet, „geschützt durch Tiergartengitter“, die „Mittelachse“ der Deetjen-Allee an ihrem Bürgerpark-Ende betonen. Auch die Bushaltestelle muß also da weg, „zur optischen Abschirmung der Stadthallenrückfront wird eine zweite Baumreihe“ gepflanzt. Um den Elefanten kommt eine niedrige Hecke, „in der Wiese davor kündigen zukünftig Frühjahrsblüher den Frühling an!“
So steht es mit Ausrufezeichen wörtlich in der Beschlußvorlage der Wirtschafsförderer. 3,6 Millionen Mark haben die Wirtschaftsförderausschüsse nach dieser überzeugenden Begründung aus dem Topf „Entwicklung touristisch bedeutsamer Grünanlagen“ freigemacht, damit die alte Form wiederhergestellt werden kann.
Fragt sich natürlich, was mit dem großen Bereich zwischen Bahnhofs-Nordausgang und Stadthalle passiert, der durch die geplanten Grün-Maßnahmen seinen Hinterhof-Charakter keineswegs verlieren wird. Auch ist die Gustav-Deetjen-Allee, vom Bahnhofsausgang aus gesehen, keineswegs eine „Allee“, sondern eine Straße mit Baumreihe an der gegenüberliegenden Seite.
„Da gibt es noch einen Klärungsbedarf“, sagt Klaus Rautmann, der Leiter von „Stadtgrün“. Stadtgrün hatte vor einigen Jahren ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem als „ideal“ zweierlei beschrieben wurde: Erstens müßte die Deetjen-Allee auf der Bürgerweiden-Seite praktisch parallel zum Klangbogen eine Baum-Reihe (Ahorn) bekommen, damit die Deetjen-Allee nicht mehr nur als Teil des Platzes wahrgenommen wird. Und zweitens ist in dem Gutachten vermerkt, daß der Verwaltungs-Trakt der Stadthalle nur stört. Eigentlich müßte er weggerissen werden wie das Fernsehstudio vom „Up'n Swutsch“.
Letzteres wäre vielleicht das geringere Problem, Radio Bremen erwägt ohnehin, die wenigen Termine monatlich, an denen das Studio genutzt wird, in die eigenen Räume zu verlegen und die teure Miete zu sparen. Die Stadthallenverwaltung und die Manager von der „Hanseatischen Veranstaltungs-Gesellschaft“ (HVG) hätten gern neue, moderne Büroräume, nur bezahlen können sie sie nicht. Der neue Anbau am Westende der neuen Messehallen ist daher fremdvermietet und nicht für einen eventuellen Umzug freigehalten worden.
Der Stadthallen-Anbau zerstört nicht nur die „Sichtachse“ Bahnhofsnordausgang-Bürgerpark, er stört auch den Blick von der Meierei auf die Domtürme, sagt der Ortsamtsleiter von Schwachhausen, Werner Mühl. Die Schwachhauser Ortspolitiker sind froh über die jetzt geplanten Veränderungen am Rande des Bürgerparks, haben aber immer gefordert, daß die Idee fortgesetzt wird bis zum Bahnhof. Und da wäre als erstes der häßliche Stadthallen-Anbau fällig. Und dann könnte die Baumreihe an der Deetjen-Allee fortgesetzt werden, am Rande der Bürgerweide. Aber „die Bürgerweide gehört dem Beirat Findorff“, sagt Mühl, da will er sich nicht einmischen.
Die Findorffer haben sich mit dem Thema vorsichtshalber nicht befaßt: Viel mehr als dem Beirat Findorff „gehört“ die Bürgerweide nämlich den Schaustellern des Freimarktes. Wenn die Fernsehstudios und die Stadthallen-Verwaltung längst abgerissen sind, wird der gute alte Wilhelm Benque auf die zweite Baumreihe für „seine“ Allee noch warten müssen. K.W.
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