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Viel Lärm um nichts

Schröder besteht im Streit um die Atom-Kommissionen auf seiner Richtlinienkompetenz – ohne sie anzuwenden. Zum Weihnachtsfest haben sich wieder alle lieb  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Eigentlich wollte Gerhard Schröder bei der Deutschen Welle seine Weihnachtsansprache für die Auslandsdeutschen aufzeichnen. Doch dann trug jemand eilig eine Agenturmeldung ins Studio: Umweltminister Jürgen Trittin, war da zu lesen, hatte gerade die Auflösung von Reaktorsicherheits- (RSK) und Strahlenschutzkommission (SSK) bekannt gegeben. Schröder ließ die Kameraleute stehen und setzte eilig eine geharnischte Pressemeldung auf. Die Entscheidung sei mit ihm nicht abgestimmt. „Sie darf nicht dazu führen, die Konsensgespräche zu gefährden“, erklärte der Kanzler. Wer die Konsensgespräche gefährde, „stellt die politische Übereinkunft in Frage“. Und dabei betonte er noch einmal seine Richtlinienkompetenz.

Am Montagabend in den „Tagesthemen“ hatte sich der Kanzler schon wieder etwas beruhigt: Die Beratungskommission des Umweltministers sei allein Trittins Sache. Er wäre aber gern vorher informiert worden und noch mal: Die Chance zu einem Konsens dürfe durch die geplante Neubesetzung der Beratungsgremien nicht gefährdet werden. Praktische Konsequenzen hatte die Aufregung freilich nicht: Die Auflösung bleibt bestehen, allerdings erwarte Schröder nun nach Auskunft seines Sprechers, daß die Neubesetzung der Gremien mit dem Kanzleramt abgestimmt werde.

So bemühten sich die beiden Koalitionspartner nach der ersten Aufregung gestern wieder um Schadensbegrenzung. Zwar warfen die energiepolitische Sprecherin der grünen Fraktion, Michaele Hustedt, sowie die grüne Parteichefin Gunda Röstel Kanzler Schröder vor, er habe „überreagiert“. Gleichzeitig betonte Röstel, die Koalitionspartner seien sich im Ziel „völlig einig“. Selbst Trittin, dem Schröder am Montag „wichtigtuerisches Gehabe“ vorgeworfen hatte, sprach von einem Streit in Formfragen und bekannte sich zu den Konsensgesprächen: „Der Ausstieg gelingt nur dann, wenn sich alle Beteiligten auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens einigen.“ Auch Kanzleramtsminister Bodo Hombach (SPD) erklärte, man müsse darauf achten, „daß nicht Formfragen so ernst genommen werden, daß darüber die Konflikte stattfinden“.

Die Umweltverbände waren dagegen begeistert von Trittin. Der BBU, BUND und der Dachverband der Naturschutzverbände DNR begrüßten gestern gemeinsam die „konsequente Linie“ des Umweltministers. Beide Kommissionen, RSK wie SSK, seien bisher einseitig mit atomfreundlichen Experten besetzt gewesen. Der BBU- Vorstand Eduard Bernhard beklagte, daß „Schröder nicht von Sicherheit spricht, nur von Arbeitsplätzen“. Ein Super-GAU in einem deutschen AKW (siehe Grafik) könne langfristig bis zu einer Million Strahlenkrebstote fordern. Laut einer Prognos-Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums von 1992 würde eine Atomunfall im AKW BiblisA rund 10.000 Milliarden Mark kosten.

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