: Verdichteter Gottesacker
Um das Zersiedeln des Umlandes zu verhindern, soll ein Teil des Ohlsdorfer Friedhofs bebaut werden. Widerstand formiert sich ■ Von Gernot Knödler
Der Stadtteil Klein Borstel ist mit Grün gesegnet: Im Nordwesten liegt das Alstertal, und im Süden grenzt der vier Quadratkilometer große, parkartige Ohlsdorfer Friedhof an – ein Paradies für Jogger, denen er eine Alternative zur berühmten Runde um die Alster bietet. Doch vom Friedhof will der Senat jetzt knapp 140.000 Quadratmeter abzwacken, um darauf Wohnungen zu bauen. In Klein Borstel formiert sich dagegen Widerstand. „Wir wollen verhindern, daß diesem Friedhof Schaden zugefügt wird“, sagt Matthias Precht, der die Trommel gegen das Projekt rührt.
Die Fläche drängt sich dem Betrachter als Ergänzung des vorhandenen Wohngebietes geradezu auf, bildet sie doch die Spitze des teilweise bebauten Dreiecks zwischen der S-Bahn-Linie eins und dem Ohlsdorfer Friedhof. Der S-Bahnhof „Kornweg“ ist wenige hundert Meter entfernt, und das Ganze mitten in Hamburg. Die Senatskommission für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Umwelt und Verkehr schlug deshalb vor, dort circa 450 Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser zu bauen.
Die Kleingärtner, die ein Drittel des Gebiets bestellen, mobilisierten die sozialdemokratische Bürgerschaftsfraktion gegen das Vorhaben. Diese drohte, das Projekt im Parlament scheitern zu lassen. Im Januar soll deswegen erneut zwischen den Senatsbehörden verhandelt werden. Im Zweifel würde nur der Teil des Geländes bebaut, auf dem die Friedhofsgärtnerei zur Zeit ihre Pflanzen großzieht, sagt Ina Klotzhuber von der Stadtentwicklungsbehörde. Auf alle Fälle solle im Frühjahr ein städtebaulicher Wettbewerb für die Siedlung ausgelobt werden.
Der Senat sieht sich vor dem Dilemma, attraktiven Wohnraum in der Stadt schaffen zu müssen, um die Abwanderung von HamburgerInnen ins Umland mit all ihren negativen Folgen zu verhindern: SteuerzahlerInnen gehen der Stadt verloren, das Umland wird zersiedelt, der Verkehr nimmt zu. „Hamburg kann es sich nicht leisten, auf verdichteten Wohnungsbau in zentrumsnaher Lage zu verzichten“, sagt daher der grüne Stadtentwicklungssenator Willfried Maier.
„Dieser Stadtteil ist nicht zu verdichten“, hält Matthias Precht dagegen, „der ist fertig.“ Für Precht, der in Klein Borstel geboren ist, gehört der Friedhof zu dem, was sein kleines Viertel auszeichnet. Sobald der Friedhof nicht nur als Gräberfeld, sondern auch als Park und Lebensraum für viele Tiere betrachtet werde, sei klar, daß er nicht angetastet werden dürfe. Zudem befürchtet Precht, daß mit den Wohnungen die Zerstörung des Ohlsdorfer Friedhofs eingeleitet wird: „Wenn man einmal angefangen hat, diesen Park zur Disposition zu stellen, dann hat man jede Menge Möglichkeiten ...“
Am 14. Januar will Precht bei einer Bürgerversammlung in Klein Borstel auf die Gefahr aufmerksam machen. Seine Chancen dürften wachsen, wenn die Kleingärten von der Bebauung ausgenommen werden sollten. Dann würden weniger als 400 Wohnungen geplant, und die Bezirksversammlung Nord hätte das letzte Wort.
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