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Der Kartenverkäufer

Peter Schwenkow macht Geld mit Kultur. Begonnen hat der Konzertmanager in der Berliner Waldbühne. Mit dem 42-Millionen-Mark-Deal als Veranstalter der Stones-Konzerte hat er sich 1998 in die Champions League der Branche katapultiert. Und satt ist Schwenkow noch lange nicht. Große Sportarenen frißt er ebenso. Ein Porträt  ■ Von Ulrike Steglich

Schwenkows Angestellte in der Zehlendorfer Villa sind im Streß. Das liegt nicht nur an der Stones-Tournee. Schwenkow hat den Ruf, ein strenger Chef zu sein. Die Mitarbeiter können dann Feierabend machen, wenn ihre Arbeit erledigt ist. Es gibt genug Arbeit. Hinter der Tür tönt Schwenkows Telefonstimme: sehr nachdrücklich, ein bißchen scharf und etwas lauter als normal.

Peter Schwenkow wird in den Medien wahlweise „Der Präsentator“, „Konzert-König“, „Kaufmann mit Rock'n'Roller-Seele“, „J.R.“ oder auch „Retter der Waldbühne“ tituliert. Er hat in nur zwanzig Jahren sein Imperium kontinuierlich aufgebaut. Es heißt seit 1995 „Deutsche Entertainment AG“, macht etwa 150 Millionen Mark Umsatz im Jahr, beschäftigt laut Schwenkow fast dreihundert Mitarbeiter und umfaßt 23 Firmen – darunter die Startfirma Concert Concept, die Berlin-Ticket-Theaterkassen, die Waldbühne, der 1992 wiedereröffnete „Wintergarten“, „City Concept“, das Wiener Ronacher-Varieté und das Düsseldorfer Apollo-Theater. Schwenkow ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Entertainment AG.

Schwenkow sitzt in einem Empfangsraum, in dem alles eine Nuance zu poliert ist. Gern erzählt er die Geschichte vom Künstlerchauffeur und Plakatkleber, der es bis zum Millionär gebracht hat; erzählt, wie er, Jahrgang 1954, nach dem Abitur ein Jahr lang als Tourneeleiter mit Künstlern übers Land fuhr, mit den Dubliners oder mit Hanns Dieter Hüsch. Hüsch ist für Schwenkow immer noch „ein deutscher Ernest Hemingway. Das hat mich angesteckt, die Nähe, die Tiefe und die Auseinandersetzung.“

In Berlin studierte er an der Hochschule der Künste Werbung und Kommunikationswissenschaften und jobbte nebenbei für die Konzertdirektion Jänicke, den damaligen Marktführer. Der hatte ihm einen eigenen Schreibtisch versprochen. Aber nach dem Umzug in den Grunewald stand im großen Büro wieder nur ein Schreibtisch – für Jänicke. „Da habe ich mich zwei Monate später selbständig gemacht, um mich zu revanchieren. Ein dreiviertel Jahr später war Jänicke weg vom Markt. Ich nehme schon an, daß er mich unterschätzt hat.“ Schwenkow grinst.

Das war 1978. Er hatte die Konzertagentur „Concert Concept“ gegründet und das Studium abgebrochen. Das erste große geplante Konzert in der Waldbühne mit Frank Zappa, Peter Gabriel und John McLaughlin soff allerdings buchstäblich im Regen ab.

Schwenkow stand mit einem Haufen Schulden da, aber er hatte trotz seiner ersten Pleite eine Goldgrube aufgestöbert: die Waldbühne – vorher ein vergessener Ort, den er kontinuierlich als Veranstaltungsort nutzte.

Auf der Waldbühne traten 1998 auch die Rolling Stones auf – mit Schwenkow-Vertrag. 42 Millionen Mark hatte die Stones-Agentur diesmal für die Rechte verlangt – zuviel für die meisten Konzertveranstalter. Manche von ihnen boten schon „aus Prinzip“ nicht mit, der Preis sei unseriös. Schwenkow legte die Summe auf den Tisch. Wer die Stones hat, ist die Nummer eins – damit hatte Schwenkow seinen einstigen Protegé Fritz Rau überrundet. Und selbst wenn er Miese gemacht haben sollte, wird es ihm das wohl wert gewesen sein.

Zweifellos waren die Stones- Konzerte einer von Schwenkows größten Coups in der letzten Zeit. „Es war sicher ein Erfolg, der der nationalen Positionierung hilft“, sagt Schwenkow zurückhaltend. „Nationale Positionierung“ scheint momentan eines seiner Lieblingsworte zu sein. Auch wenn Schwenkow von den „Sinuskurven“ spricht, von Mißerfolgen, die notwendig seien, um die Erfolge erst richtig genießen zu können – Niederlagen liegen ihm äußerst schwer im Magen.

Und die Sache mit dem Schiller- Theater war ein Mißerfolg, wie Schwenkow inzwischen unumwunden zugibt. Nach all den erfolgreichen „Classic Open Airs“, den Gigs mit Phil Collins oder Pink Floyd, den Konzerten vor dem Reichstag mit David Bowie, nach der Eröffnung des legendären Wintergartens an der Potsdamer Straße und André Hellers Feuertheater suchte Peter Schwenkow ein neues Terrain: 1995 griff er nach dem Schiller-Theater, das nach der umstrittenen Schließungsentscheidung des damaligen SPD-nahen Kultursenators Ulrich Roloff-Momin leerstand.

Der Aufschrei war vorprogrammiert: Ausgerechnet der Kommerzkulturkönig kapert den Hochkulturgral. Damit begründet auch Schwenkow das letztendliche Scheitern des Projekts: „Nicht weil das, was wir da gemacht haben, nicht erfolgreich war. Der Mißerfolg lag darin, daß ich die unheimliche Intensität der nicht verheilenden Wunde, die einmal im Jahr zum Berliner Theatertreffen aufbrach – die Schließung der größten deutschsprachigen Bühne –, daß ich diese Intensität unterschätzt hatte.“

Freilich gab es noch andere Probleme. Schwenkow hatte sich auf eine Ausschreibung des Senats beworben, ein Konzept vorgelegt und den Zuschlag erhalten – mit den Stimmen der CDU-Fraktion und Roloff-Momins, gegen die Proteste der SPD-Fraktion und der ebenfalls aussichtsreichen Mitbewerber Friedrich Kurz und Wolfgang Bocksch. Letzterer hatte ein Mehrfaches der Pacht geboten, verlor aber auch vor Gericht gegen Schwenkow. Der bekam das Haus gegen ganze 8.000 Mark Jahresmiete und die Verpflichtung, jährlich 500.000 Mark in das Gebäude zu investieren.

Der Aufruhr ebbte nicht ab: Schwenkow, seit 1972 CDU-Mitglied, wurde Begünstigung durch die eigene Partei vorgeworfen. War da nicht auch das großzügige Darlehen aus Senatslottogeldern für den Wintergarten gewesen und die langfristige Verpachtung der Waldbühne durch den Senat – auch wenn sich Schwenkow nun, nach Klagen von Konkurrenten, mindestens ein Drittel der dortigen Veranstaltungen mit anderen Veranstaltern teilen muß?

Indes war von den vielen „Historicals“, die Schwenkow versprochen hatte, im Schiller-Theater wenig zu sehen, gezeigt wurden nur die amerikanischen Musical-Importe von Bocksch, der nun als Schwenkows Untermieter im Schiller-Theater saß.

Selbst der nachfolgende CDU- Kultursenator Peter Radunski mußte 1997 leise anmahnen, daß von den versprochenen Investitionen bisher noch wenig auszumachen sei. Als Schwenkow 1997 endlich mit einer eigenen Produktion, Klaus Hoffmanns „Brel“, auf die Bühne kam, war es zu spät. Schwenkow warf das Handtuch. Wenige Wochen später übernahm Bocksch von ihm die Schiller-Theater GmbH für 50.000 DM.

Das Gezerre um das Schiller- Theater war kaum beendet, da hatte Schwenkow schon die nächsten Objekte im Visier: die frisch erbauten Sportstätten Max- Schmeling-Halle und Velodrom, um deren Betrieb sich Schwenkow bewarb – diesmal im Dreierpack mit dem Bauunternehmer Dietmar Otremba und Werner Gegenbauer, Chef einer Gebäudetechnik-Firma. „Konzert-König Schwenkow: Jetzt hat er auch noch Berlins Superhallen“, stöhnte selbst die B.Z.

Die SPD-Sportsenatorin Ingrid Stahmer zeigte sich besorgt über eine „drohende Monopolstellung“ Schwenkows.

Trotzdem bekamen Otremba, Gegenbauer und Schwenkow den Zuschlag, weil sie zwar nicht das günstigste, aber das beste Konzept vorgelegt hätten.

Die Stadt bezuschußt die Hallen mit 6,8 Millionen Mark jährlich. Dafür verpflichtete sich die Velomax als Betreibergesellschaft von Velodrom und Max-Schmeling- Halle, jährlich 10 Millionen Mark zu erwirtschaften.

Die Monopol-Vorwürfe bügelt Schwenkow gelassen ab: „Ich habe mit der Waldbühne bewiesen, daß wir Spielstättenmanagement können, wir haben uns über 17 Jahre national positioniert. Außerdem haben wir nur ein Drittel an dieser Gesellschaft, und man soll nicht immer so tun, als ob Herr Otremba und Herr Gegenbauer sich von mir dominieren lassen. Und wir haben ein hohes Risiko: Public Private Partnership. Wir garantieren immerhin zehn Millionen Mieteinnahmen in den nächsten zwei Jahren, da müssen wir jeden Mieter nehmen.“

Außerdem gebe es immer noch genug Konkurrenz: die Bühne in der Wuhlheide, das Tempodrom, die Columbia-Halle. Freilich war da noch die Geschichte mit einem Vertragspassus: Die Deutschlandhalle müsse geschlossen bleiben. Als im Abgeordnetenhaus gegen diese Bedingung Protest laut wurde, weil mittlerweile die Chancen für die Wiedereröffnung der Deutschlandhalle gestiegen waren, mußte der Passus wieder gestrichen werden.

Für Peter Schwenkow kein Problem: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Seine Prognose für die Hallen? „Wir laufen genau im Plan.“

Schwenkow mag sie nicht, diese schlechtgelaunten Nörgler, Kulturjammerer, Argwöhner. Sie gehen ihm auf die Nerven. Auf Podien, bei denen es um Kulturpolitik geht, sitzt Peter Schwenkow, der „Unternehmer des Jahres 1996“, wie der leibhaftige Beweis, daß man Kultur gut für Geld verkaufen kann, und langweilt sich über den Subventionsstreit. Schwenkow sieht sich als Kulturmanager und Dienstleister.

Die Besucher seiner Konzerte sind für ihn Kunden, und die friedliche Koexistenz von Kunst und Markt ist möglich. Einer seiner Artikel beginnt mit den Sätzen: „Ich verdiene gern Geld. Es macht Spaß und ist sehr befriedigend. Wir sind Dienstleister, wir sind nicht subventioniert und wir verkaufen Kultur für Geld. Wir wollen nicht erziehen und wir wollen nicht belehren, aber wir haben einen Anspruch: Qualität.“

Dabei gehört Schwenkow keineswegs zu denen, die Subventionen für Kultur per se ablehnen. Er plädiert nur für mehr Effektivität im Umgang mit Geld. Eine Brecht/ Weill-Oper gehört für ihn gefördert, ein Theater des Westens nicht unbedingt.

Und das seit Jahren umstrittene „Metropol“ gehört abgerissen – Schwenkow ist „für kurze Schnitte statt langem Palaver“.

Der Kulturpolitik wirft er vor, einerseits das Positive nicht richtig zu verkaufen und andererseits die Probleme nicht schnell genug zu lösen.

„Es kann doch nicht sein, daß ein geschlossenes Metropol mehr Presse kriegt als die Verpflichtung von Herrn Peymann ans Berliner Ensemble. Es gehört zum Meinungsbild dieser Stadt, sich immer ein bißchen wehleidig mit den Problemchen zu beschäftigen, anstatt sich zu freuen und ein bißchen nach vorne zu gucken.“

Darin ist er sich mit dem Ex- Stadtentwicklungssenator und „Partner für Berlin“-Chef Volker Hassemer einig. Parteifreund Hassemer hielt die Rede zum zwanzigjährigen Firmenjubiläum von Concert Concept und bescheinigte Schwenkow, daß er zwei Grundbedürfnisse der Stadt bediene: Feste zu feiern und hinterher zu meckern.

Insofern wird für Schwenkow „ganz Deutschland normaler“. Immerhin sei noch vor zehn Jahren „Unternehmer“ ein Schimpfwort gewesen, „wofür man sofort aus der Stadt gejagt wurde“. In West- Berlin sei es ohnehin nicht schwierig gewesen, erfolgreich zu sein, „weil man schon mit der durchschnittlichen täglichen Arbeit Schallgeschwindigkeit entwickelte, denn der Rest strahlte bayrische Langsamkeit aus“. Aber langsam fänden auch Leistungswille und Erfolg Akzeptanz in der Sozialstruktur.

Plötzlich fällt einem ein Bild von 1982 in der B.Z. ein: Da hielt ein damals noch bärtiger, langhaariger 27jähriger Schwenkow stolz drei 500-Mark-Scheine in die Kamera. Das Startkapital für drei arbeitslose junge Leute, die sich damit selbständig machen sollten. Und Schwenkow wußte auch schon womit: „Einer soll einen Schrippendienst eröffnen. Einer soll Gartenarbeiten übernehmen. Einer soll Autos waschen.“ Bewerbungen nur schriftlich.

Peter Schwenkow ist jetzt 44. Er gehört zu jener West-Berliner Elite, die durch veränderte Umstände neuen Antrieb und Rückenwind bekommen hat. Er kann noch viele Eintrittskarten verkaufen. Das Theater interessiert ihn momentan gar nicht, jetzt ist die internationale Positionierung dran. Er will international mehr Erfahrungen sammeln; die Tourneen gehen durch ganz Europa.

Vielleicht erfüllt er sich noch irgendwann einmal seinen alten Traum, Barbra Streisand nach Deutschland zu holen. Ansonsten, sagt Schwenkow, ansonsten sei er wunschlos glücklich. „Viel Neid, viel Ehr. Es gibt sicherlich Leute, die sagen, der Schwenkow macht zuviel. Ich kann ihnen nur zurufen: Ist alles selbstgemacht, und wenn du neidisch bist, fang selber an. Das Wichtigste ist, in den Spiegel zu gucken am Ende des Tages, und was andere sagen, ist einem letztendlich egal.“

Die Tür hinter Schwenkow ist offen, so daß man ein Einrad im angrenzenden Büro sehen kann. Es steht so, daß man es sehen muß. Und so ist die Frage, ob er das Ding selbst fährt, fast obligatorisch. Ja, sagt Schwenkow, „aber im Moment ist leider keine Luft drauf, und das ist mir auch ganz angenehm, weil ich das sonst immer vorführen muß.“

So viel Zirkus muß man denn doch nicht von ihm verlangen.

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