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„Die Union will aufputschen“

■ Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, die Grüne Marieluise Beck, zu den CDU-Plänen gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts

taz: Die CDU/CSU will den Streit um das Staatsangehörigkeitsrecht in die Fußgängerzonen tragen. Freuen Sie sich denn schon auf die Auseinandersetzung?

Marieluise Beck: Öffentliche Auseinandersetzung ist immer gut, wenn sie ehrlich geführt wird. Im Fall der Unterschriftenaktion der Union habe ich meine Bedenken, was die Ehrlichkeit betrifft. Die Opposition ist in sich sehr gespalten. Sie ist noch ein wenig orientierungslos und auf der Suche nach einem Thema. Jetzt versucht sie das Thema der erleichterten Einbürgerung zu emotionalisieren und dabei den eigenen Zusammenhalt zu stärken. Die Union ist sich offenbar nicht zu schade, die Bevölkerung zu verunsichern und aufzuputschen. Wenn man wie Herr Stoiber am Wochenende zu ganz massiven Pauschalverurteilungen gegenüber ausländischen Bürgern greift, dann erwarte ich nicht, daß es ihm wirklich um eine ehrliche Auseinandersetzung geht, sondern daß er sich an die Stammtische heranrobben will.

Was wird die Regierung der Unterschriftenaktion von CDU/CSU entgegensetzen?

Es war sowieso klar, daß mit der Reform der Staatsbürgerschaft eine Kampagne gefahren werden soll. Ich habe gerade in den Haushaltsberatungen Mittel dafür beantragt. Wenn es das Gesetz zur Reform gibt, brauchen wir Aufklärung in beide Richtungen: sowohl in die ausländischen Communities, damit die erleichterte Einbürgerung wirklich in Anspruch genommen wird, als auch in die deutsche Bevölkerung hinein, um ihr deutlich zu machen, daß im Augenblick zum Teil falsche Befürchtungen in die Welt gesetzt werden. Anders als manchmal behauptet, werden Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft zum Beispiel in keiner Weise bevorzugt.

Wieviel Geld ist für eine solche Kampagne nötig?

Also zwei Millionen sollten es schon sein, habe ich den Haushältern ins Stammbuch geschrieben.

Die Union sagt, die Mehrheit der Deutschen sei gegen die Reform. Unterschätzen Sie nicht die Skepsis im Land?

Wir gehen nach wie vor davon aus, daß die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung für eine erleichterte Einbürgerung groß ist. Es gab ja 1993 eine Aktion für die Erleichterungen, bei der über eine Million Unterschriften zusammenkamen. Die Zustimmung in Umfragen lag bei 60 Prozent – auch unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft.

CSU-Chef Stoiber und CDU- Generalsekretärin Merkel warnen vor der Gefahr für die innere Sicherheit durch importierten Terrorismus.

Das ist irre, diese Art von Pauschalverdacht in die Bevölkerung hineinzublasen und damit bewußt Stimmungen aufzuputschen. Ich halte das für unverantwortlich. Die Einbürgerung wird nur bei Menschen vorgenommen, die straffrei sind. Auch dieses Argument ist in der Sache nicht richtig. Die Union hat also keine Hemmungen, mit unhaltbaren Vorwürfen und Verdachtsmomenten Stimmung zu machen. Es geht der Union darum aufzuputschen.

Die CSU fordert von Neubürgern einen Nachweis ihrer Loyalität gegenüber der Bundesrepublik. Ist ein Eid auf die Verfassung denn wirklich zuviel verlangt?

Wir haben diese Tradition in Deutschland nicht. Es gibt sie in den USA mit einem anderen Verständnis von Verfassungspatriotismus. Bei uns bedeutet die Annahme der Staatsbürgerschaft, sich auch mit den verfassungsmäßigen Grundrechten zu verbinden. Wir können keinen Gesinnungs-TÜV einführen.

Aber was spricht gegen einen Eid?

Einen Eid kann man auch mit gekreuzten Fingern ablegen. Ich weiß nicht, was ein Eid wirklich verändern soll.

Die CSU hat jetzt erklärt, die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts dürfte nur mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden.

Zwei Legislaturperioden lang haben die alten Regierungsparteien nicht nach Konsensen gesucht. Damit entlarvt sich ihre Forderung als vorgeschoben. Interview: Patrik Schwarz

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