: Doppelpaß: CSU spielt CDU ins Abseits
■ Kritik an geplanter Kampagne der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft reißt nicht ab. Zentralkomitee der deutschen Katholiken und türkische Verbände distanzieren sich. CSU warnt die CDU vor einem Rückzieher
Berlin/Bonn (dpa/rtr/AP/taz) – Die Union gerät mit ihrem Plan, eine Unterschriftenaktion gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft zu starten, zunehmend ins Abseits.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken distanzierte sich von dem Vorhaben. Sprecher Werner Remmers erklärte gestern, für die Behandlung eines so komplexen Themas sei eine derartige Befragung ungeeignet. Eine solche Frage könne nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden. Die katholische Laienorganisation setze sich nachdrücklich dafür ein, daß für seit langem in Deutschland lebende Ausländer der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert wird. Dazu gehöre auch eine Liberalisierung zugunsten einer doppelten Staatsangehörigkeit. Als inakzeptabel bezeichnete Remmers allerdings die Absicht der rot-grünen Regierung, die doppelte Staatsbürgerschaft ohne Einschränkung und als Normalfall zu verleihen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber kündigte an, die doppelte Staatsbürgerschaft zum zentralen Thema im Europawahlkampf vor dem 13. Juni zu machen. Die CSU warnte ihre Schwesterpartei CDU vor einem Rückzieher. Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Michael Glos sagte in Wildbad Kreuth, die Gefahr, daß die Union gespalten werde, bestehe nur, wenn sich die CDU jetzt wieder zurückziehe. Ihn störe der Beifall aus der rechtsextremen Ecke nicht. „Wenn es auch andere gibt auf der rechten Seite, die hier der allergleichen Meinung sind wie wir, brauchen wir unsere Meinung noch lange nicht auszuwechseln“, so der CSU- Politiker. Nach den „Republikanern“ und der DVU hatte gestern auch die NPD das Vorhaben der Union begrüßt und ihren Mitgliedern empfohlen, sich aktiv an der Aktion zu beteiligen.
In Bonn verteidigte die CDU-Generalsekretärin Angela Merkel das Vorhaben beider Parteien. Das Motto werde durch ein schlüssiges Integrationskonzept „unterfüttert“. Darüber sowie über den Text des Aufrufs werde bei der Klausurtagung der CDU-Spitzengremien an diesem Wochenende beraten. Auch Volker Rühe, stellvertretender CDU-Vorsitzender, stellte sich hinter die Unterschriftensammlung. Es sei nicht in Ordnung, daß ein so wichtiges Thema „in irgendwelchen Koalitionsgesprächen von SPD und Grünen hinter einer verschlossenen Tür erfolgt. Und deshalb bedarf es einer solchen öffentlichen Diskussion.“ Da seine Partei grundsätzlich gegen Volksbefragungen sei, müsse die Unterschriftenaktion aber „in den richtigen Zusammenhang gestellt werden“, so Rühe: „Es muß auch gemeinsame Veranstaltungen mit den Ausländern geben, damit Mißverständnisse vermieden werden.“
Türkische Verbände appellierten gestern an die Bundesbürger, die geplante Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft nicht zu unterstützen. „Wir betrachten Deutschland als unsere Heimat und haben unsere Loyalität zu diesem Land hinreichend bewiesen“, sagte Yasas Bilgin vom Rat der türkischen Staatsbürger in Deutschland. Derweil beschloß der grüne Bundesvorstand, mit einer eigenen Kampagne unter dem Titel „Gleiche Rechte jetzt“ das Vorhaben der neuen Regierung in den nächsten Wochen zu unterstützen.
In einem taz-Interview schloß zugleich der innenpolitische Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, Cem Özdemir, einen Kompromiß mit der Union zur doppelten Staatsbürgerschaft aus. Diese Möglichkeit habe die Union in der vergangenen Legislaturperiode versäumt. „Jetzt hat Rot-Grün die Aufgabe, das zu erfüllen, was in 16 Jahren CDU/FDP-Regierung versäumt wurde“, so Özdemir. sev
Interview, Berichte Seite 6, Debatte Seite 12
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