: Dusch noch einmal, Leigh!
■ Böser Gus! Mit seinem Remake von Alfred Hitchcocks "Psycho" outet sich Gus van Sant als Kinofetischist mit Übervaterkomplex. Der Wille zur Originaltreue entbehrt nicht der Komik
Es ist der dicke Mann mit dem hellen Hut, der am Anfang draußen vor der Tür des Immobilienmaklers steht und in die Luft schaut. Keine drei Sekunden dauert der Auftritt, den Hitchcock sich in seinem Original gegönnt hat. Auf Gus van Sant muß man warten, bis der Film fast zu Ende ist. Als unscheinbarer Stubenpolizist darf er einem Kollegen, der Norman Bates die Wolldecke in seine Zelle reicht, die Tür öffnen. Das macht der Regisseur von „My Private Idaho“ gar nicht schlecht.
Seine Neuverfilmung von Hitchcocks „Psycho“ sieht indessen nicht ganz so gut aus. Man konnte es ahnen: Warum sollte jemand Szene für Szene, Einstellung für Einstellung und Bild für Bild einen Film noch einmal drehen? Vielleicht war das Eins-zu-eins- Remake nur eine üble Laune, vielleicht wird van Sant auch langsam wunderlich – nachdem er schon für seinen letzten Film einen Grünschnabel wie Matt Damon am Drehbuch mitschreiben ließ. Ihm stand ein Budget von stolzen 20 Millionen Dollar zur Verfügung, damit nun ein Stab, der mit Sicherheit doppelt so groß war wie zu Hitchcocks Zeiten, ein neues Spukhaus und ein neues Bates Motel direkt vor dem ursprünglichen Set aufbauen konnte. Außerdem mußten sich sämtliche Akteure in den Drehpausen immer wieder eine Kopie des Originalfilms angucken, um selbst die alten Fehler getreu nachzuspielen.
Wenn sich bei Hitchcock eine Tür ohne Schlüssel öffnen ließ, passiert bei van Sant das gleiche – nur eben in Farbe. Psycho hoch zwei. Genützt hat es nichts: Manche Fehler sind schon bei Hitchcock so plump, daß sie in der Neufassung automatisch behoben wurden. Etwa wenn Perkins mit dem Feudel das Zimmer verläßt, nachdem er die Blutspuren von Vivien Leigh beseitigt hat, und plötzlich einfach der Besenstiel aus dem Bild verschwunden ist. Statt dessen sieht man nun allerdings einen gelben Wischmop, mit roter Farbe vollgesogen wie eine Portion Spaghetti.
Einige Details wurden der Zeit angepaßt, damit die Realität nicht ganz so melancholisch oder gar töricht dasteht. In Phoenix baut man mittlerweile Hochhäuser aus Glas, Anne Heche als Ersatz-Leigh darf orange Büstenhalter tragen, und die Autos, die bei van Sant im Sumpf versinken, stammen vom Wagenhändler um die Ecke (echte Buicks aus den 50ern wären vermutlich doch etwas teuer geworden). Weil aber gerade die Dialoge mit ihrer strengen Moral von Ehe, Anstand und Gewissen ungebrochen übernommen wurden, wirkt es eher albern, wenn sich unverheiratete Pärchen zum Mittags-Quickie in einem Stundenhotel treffen müssen. Noch alberner ist jedoch die Idee, den neuen Bates kräftig masturbieren zu lassen, während er Heche beim Ausziehen beobachtet. Das machen kleine Jungs vielleicht – aber doch nicht, wenn Mutti dabei zuschaut.
An solchen Shots erkennt man, wie sehr sich van Sant bemüht hat, seinem Übervater Hitchcock wenigstens ein paar Unanständigkeiten entgegenzusetzen. Böser Gus! Die Neubesetzung von Bates/Perkins durch den kernigen Vince Vaughn stimmt dagegen ziemlich traurig. Als stotternder Schizo war Perkins auf Anhieb sympathisch, sein Trieb zu töten im Leiden einer Kreatur begründet, für die bis zum Schluß Mutter die einzige Lösung im eigenen Leben bleibt. Vaughn scheint sich mit stets gutgelauntem Cowboygrinsen um dieses Drama nicht allzuviel zu kümmern – sogar die Perücke sitzt schief, wenn er mit dem Messer kommt. Und auch für Heche war die Rolle der sündigen Sekretärin nur eine leblos durchexerzierte Nummer auf der Durchreise. Lieber wäre sie wohl an Bates Motel vorbeigefahren, um sich und ihrem Knackarsch Sam (Viggo Mortensen) in Kalifornien ein kleines Häuschen mit den 400.000 Dollar aus der Kasse ihres Chefs zu kaufen. So geht sie immerhin noch einmal duschen. Harald Fricke
„Psycho“. Regie: Gus van Sant. Mit Anne Heche, Vince Vaughn u.a., USA, 106 Min.
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