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Aufgeweichte Denkverbote

■ CDU-Vorstoß zur Ausländerquote in Schulen stößt auf positiv-verhaltene Reaktionen / Erste Schulgrenze in Bremen wegen Ausländeranteil verschoben

Die CDU blieb vom Proteststurm verchont, trotz der jüngsten Forderung des Bremer CDU-Fraktionschefs Ronald-Mike Neumeyer nach einer Ausländerquote an Schulen blieb es ruhig in der Stadt. Erst auf Nachfrage reagiert man – insgesamt positiv verhalten: „Eine Hälfte der Eltern wird dies sicher gutheißen“, erklärt Joachim Knuth vom zentralen Elternbeirat (ZEVB) auf Anfrage der taz.

Gegen zu viele ausländische Kinder in Schulklassen hatte der CDU-Fraktionschef in der vergangenen Woche mobil gemacht. Neumeyer bezog sich dabei auf eine FORSA-Umfrage: 61 Prozent der rund 1.000 Befragten hatten eine Ausländerquote befürwortet. Deshalb sollten in Bremer Klassenzimmern künftig nicht mehr ausländische als deutsche Kinder sitzen, schloß er. Sein Lösungsvorschlag: Ausländische SchülerInnen sollten mit Bussen in solche Schulen gefahren werden, wo der Ausländeranteil relativ niedrig liegt. In Horn oder Oberneuland gebe es genügend Schulen, die das „durchaus vertragen könnten“, betonte Neumeyer gegenüber der taz. Oberstes Ziel dabei sei, die Integration voranzutreiben.

Für den Bremer Elternvertreter Bernd Nehrhoff aus Obervieland ist das tatsächlich ein „schöner Gedanke“. Das Ausgliedern mit Bussen sei zwar „völliger Quatsch“ und überhaupt nicht praktikabel, aber Neumeyers Ziel sei nicht zu verachten. Denn vor allem in Grundschulen wäre es ausdrücklich besser, wenn die Klassen „mehr durchgewürfelt“ seien – wegen der sonst so unterschiedlichen Sprachfähigkeiten. Dann würde es auch mit der Integration besser klappen.

Der Elternvertreter begründet dies mit seinen Erfahrungen aus Obervieland: In Kattenturm hat er mit anderen Eltern gerade etwas Einmaliges durchgesetzt: Das Verschieben einer Schulgrenze, um den Anteil ausländischer SchülerInnen in zwei Grundschulen auszugleichen. Ein „heißes Eisen, das wir aber vor Ort sensibel angepackt haben“, sagt Nehrhoff. Trotzdem will er das Thema bloß nicht „an die große Glocke hängen“, um in Bremen einen „Flächenbrand zu vermeiden“.

Das will das Bremer Bildungsressort offenbar auch: Dort lehnt man Ausländerquoten offiziell strikt ab, bestätigt der zuständige Referent für interkulturelle Angelegenheiten, Werner Willker. Das Versetzen von Kindern in andere Schulen sei wegen längerer Schulwege schlichtweg „nicht zumutbar“. In Obervieland habe man lediglich Schulgrenzen verschoben – und das auch nur, „weil die Schulen so dicht nebeneinander lagen“. Nur wo so etwas örtlich „möglich ist, ist eine gerechte Verteilung zu befürworten,“ sagt er deshalb vorsichtig zur möglichen Ausweitung der Idee auf andere Stadteile.

Ob derartiges in Bremen überhaupt gewollt ist, wurde aber bislang nicht öffentlich diskutiert. In dieser Woche will der zentrale Elternbeirat aus aktuellem Anlaß erstmals über die geforderte Ausländerquote an Schulen diskutieren. „Ein durchaus zweischneidiges Schwert“, meint Elternbeirätler Joachim Knuth. Zwar wolle man niemanden ausgrenzen. Aber an den Schulen der Sekundarstufe I beispielsweise – wo im Gegensatz zu Grundschulen die freie Schulwahl gilt – meldeten Eltern schon heute ihre Kinder zunehmend in Innenstadtschulen an. „Dann hat man irgendwann Schulen in Randlagen mit 80 Prozent Ausländeranteil“, sagt Knuth, „solch eine Ghettoisierung kann doch nicht gewollt sein.“

Das finden auch SchulleiterInnen wie Rolf Struckmeyer von der Grundschule am Pfälzer Weg in Osterholz-Tenever. Gemeinsam mit KollegInnen fordert er allerdings, lieber die Vergabe von städtischen Wohnungen in bestimmten Stadtteilen neu zu regeln, statt AusländerInnen in Bussen wegzukarren.

Tatsächlich liegt der durchschnittliche Ausländeranteil an Bremens Schulen bei 19 Prozent; nur an wenigen Schulen liegt er über 50 Prozent. Ausländische SchülerInnen wie Banafshe Esfahani finden deshalb, daß „man sich dieser Realität erstmal stellen muß“. Sie fühle sich „sonst einfach wie weggeschoben. Wir leben nunmal alle zusammen“. kat

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