: Einsätze türkischstämmiger Polizisten umstritten
■ Nach Schlägerei in Kreuzberg Debatte um internes Polizeipapier. Heute berät Innenausschuß
Die Auseinandersetzung zwischen vorwiegend türkischen Jugendlichen und Polizisten Ende vergangenen Jahres in der Dresdener Straße in Kreuzberg hat eine Debatte über den Einsatz von Polizisten türkischer Herkunft ausgelöst. Bei dem Vorfall waren neun Beamte verletzt worden, darunter eine Polizistin türkischer Abstammung. Wie die Polizeipressestelle berichtete, behauptet in einem internen Papier der Polizeiführung ein hoher Beamter der Polizeidirektion 5, daß der Einsatz von PolizistInnen türkischer Herkunft zwar beim Kontakt mit einzelnen Türken beruhigend wirke – im Umgang mit türkischen Jugendgangs jedoch eher eskalierend. Der ausländerpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Ismail Kosan, bekräftigte daraufhin seine Kritik am Polizeieinsatz am Jahresende. Nach von ihm gesammelten Augenzeugenberichten habe die Polizei unverhältnismäßig scharf auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen einem Deutschen und einem Türken reagiert. Um zwei Türken in Polizeigewahrsam zu nehmen, sei die Polizei mit mehr als 100 Beamten angerückt und habe die ganze Dresdener Straße abgesperrt. Dabei seien auch Unbeteiligte und Personen, die schlichten wollten, von Polizisten bedroht und geschlagen worden. Die Anwesenheit der türkischstämmigen Kollegin habe keine ausschlaggebende Rolle gespielt.
Nach Polizeiangaben war bei der Auseinandersetzung eine Beamtin türkischer Herkunft so schwer verletzt worden, daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Zuvor war sie offenbar von Jugendlichen als „Verräterin“ beschimpft worden. Kosan betonte dagegen, die Beschuldigten seien von den Beamten noch geschlagen worden, als sie auf dem Boden lagen. Auch einen ähnlichen Vorfall in der Oranienstraße im Herbst habe die Polizei gegenüber der Presse verzerrt dargestellt.
Der Bündnisgrüne forderte im Gegensatz zu dem Polizeipapier mehr Anwärter nichtdeutscher Herkunft in den Polizeischulen, da sie oft beruhigend wirkten. Nach seinen Recherchen habe es vor etwa zwei Jahren nur gut ein halbes Dutzend Polizisten dieser Abstammung in Berlin gegeben.
Allerdings hätten ihn schon zwei Beamte nichtdeutscher Herkunft angesprochen, die beklagt hätten, sie würden von ihren Kollegen mit ausländerfeindlichen Witzen beleidigt. Zudem hätten sie bei Beförderungen schlechtere Chancen als ihre deutschen Kollegen. Ein Polizeibeamter habe bereits die Konsequenz gezogen, berichtete Kosan, und den Dienst quittiert. Heute will der Innenausschuß über den Vorfall in der Dresdener Straße beraten. Philipp Gessler
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen