EU-Diplomatie: Viel sagen, mehr meinen

EU-Kommissionschef Santer auf Antrittsbesuch in Bonn. Gemeinsam mit Kanzler Schröder verteidigt er die von Korruptionsvorwürfen geplagte Kommission, der am Donnerstag ein Mißtrauensvotum bevorsteht  ■ Von Markus Franz

Bonn (taz) – Eine Botschaft sollte die Welt auf jeden Fall erfahren. Möglichst nur die eine. Deshalb wurden Bundeskanzler Gerhard Schröder und EU-Kommissionschef Jacques Santer gestern in Bonn nicht müde, sie immer und immer zu wiederholen: Die von Korruptionsvorwürfen geplagte EU-Kommission tue so ziemlich alles, um die Vorwürfe aufzuklären, sie habe deshalb das Vertrauen der Abgeordneten verdient. Am Donnerstag muß sich die Kommission im Europaparlament einem Mißtrauensvotum stellen.

Warum Schröder das so sieht, erklärte er wenig später: „Die Bundesregierung ist an einer stabilen und handlungsfähigen EU-Kommission interessiert.“ Klar doch, im Jahr der deutschen Ratspräsidentschaft. Und so sprach Schröder: „Die Kommission ist bei der Aufklärung der Vorwürfe auf einem vernünftigen Weg.“ Die Kommission habe deutlich gemacht, daß sie ihre Anti-Korruptions-Gruppe zur Aufklärung der Vorwürfe personell verdreifachen werde. Die Kommission, Europaparlament und die deutsche EU-Präsidentschaft wollten eine gemeinsame Gruppe bilden, um die Arbeit der Anti-Korruptions-Gruppe der Kommission politisch zu steuern. Die Bundesregierung habe deshalb die Gewißheit, daß es möglich sein werde, den „erkennbaren Verdächten und Fehlhandlungen“ nachzugehen und diese mit aller Härte zu ahnden.

Ob er damit den SPD-Europaabgeordneten den Ratschlag geben wolle, der Entlastung der Kommission zuzustimmen, wurde Schröder gefragt. Natürlich darf Schröder diese Frage aus Respekt vor dem frei gewählten Parlament nicht bejahen. „Mein Respekt vor dem frei gewählten Parlament“, sagte Schröder also, „ist so groß, daß ich nicht öffentlich Ratschläge erteilen will.“ Und er sagte weiter: Er habe zur Kenntnis genommen, daß Santer gesagt habe, die Kommission sei an einem guten Verhältnis zum Parlament interessiert. Er plädiere deshalb dafür, nicht nach hinten zu gucken, sondern nach vorn. Um den Motor nichts ins Stottern geraten zu lassen. Und dann: „Ich bin sicher, daß die frei gewählten Abgeordneten diese Zusammenhänge ebenso sehen wie ich.“ Im Klartext: Natürlich sollen die SPD-Abgeordneten die Kommission entlasten, schon allein weil die Verabschiedung des Reformprogramms Agenda 2000 auf einem Sondergipfel Ende März nicht gefährdet werden soll. Ebenfalls nicht beantworten wollte Schröder die Frage, ob es eine akzeptable Alternative wäre, einfach nur ein bis drei der insgesamt 20 Kommissare zu entlassen. Über Rücktritte spekuliere er nicht, erwiderte Schröder, um hinzuzufügen: Präsident Santer habe immer deutlich gemacht, daß er die Kommission als Einheit sehe. Im Klartext: Schröder wünscht den Rücktritt einzelner Kommissare nicht.

Auch auf eine dritte Frage antwortetete der Bundeskanzler nur über Umwege. Brüsk wies er zunächst die Frage zurück, ob der Nachfolger für Jacques Santer ein Deutscher sein solle. Santer sei schließlich noch ein Jahr im Amt. Dann aber sagte er: Eins habe er in den letzten Jahren gelernt. Wenn man einen Kandidaten töten wolle, dann müsse man vorzeitig damit beginnen, ihn für ein Amt ins Spiel zu bringen. „Und ich“, sagte Schröder, „will keine Toten haben.“ Mit anderen Worten: Schröder will einen deutschen Nachfolger.

Wenig, und auch auf Umwegen über Fragen nicht mehr, sagten Schröder und Santer über die Finanzreform, und insbesondere darüber, in welcher Weise Deutschland als größter Nettozahler der EU entlastet werden könnte. Santer sagte, der englische Rabatt müsse neu verhandelt werden. Schröder verlieh seiner Überzeugung Nachdruck, daß jeder Mitgliedstaat verstanden habe, kompromißbereit sein zu müssen. Zuvor hatte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok vorgeschlagen, die Nettozahlung in Höhe von 22,5 Milliarden Mark um fünf bis sieben Milliarden zu reduzieren.