CSU notfalls solo gegen Doppelpaß

■ Die Christsozialen stellen gemeinsamen Text für Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpaß in Frage, während bei den Christdemokraten die Stimmen für einen Kompromiß mit der Bundesregierung zunehmen

Berlin (taz) – „Vom Zeitpunkt her“, gestand gestern ein Abgeordneter der rot- grünen Koalition mit kaum verhohlener Zufriedenheit, „ist der Streit in der Union für uns ideal.“ Zwei Tage bevor Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am Mittwoch den Referentenentwurf zur erleichterten Einbürgerung vorstellen will, streben in der Union die Flügel offenbar weiter auseinander: Während sich in der CDU das Bemühen um einen Kompromiß mit der Regierung abzeichnet, schert die CSU womöglich aus der gemeinsamen Unterschriftenaktion mit ihrer Schwesterpartei aus. Die Christsozialen behielten sich gestern vor, mit einem ganz anderen Text als die CDU in die Kampagne gegen das rot- grüne Reformwerk zu ziehen.

„Das wäre auch überhaupt nicht schlimm“, erklärte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, die Überlegungen zu einem Alleingang seiner Partei. In Hamburg müsse man die Menschen vielleicht anders ansprechen als in Bayern. Ziel sei allerdings weiterhin ein gemeinsamer Text. In der CSU war mit Unmut registriert worden, wie stark CDU- Parteichef Wolfgang Schäuble das Anliegen der Integration von Ausländern in den Vordergrund gestellt hatte. Im Gegensatz dazu dürfte eine bayerische Textfassung für die Unterschriftensammlung die Ablehnung der Koalitionspläne betonen.

In der CDU-Spitze deutet sich zugleich die Suche nach einem Kompromiß mit der Regierung an. Jürgen Rüttgers, der für die CDU die Aktion koordiniert, erklärte, er schließe eine einvernehmliche Lösung nicht aus. Mit Volker Rühe und Christian Wulff befürworten jetzt außerdem zwei stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei die sogenannte Optionslösung bei der Einbürgerung. Danach sollten in Deutschland geborene Ausländerkinder neben der Staatsbürgerschaft ihrer Eltern auch einen deutschen Paß erhalten, sich bei Erreichen der Volljährigkeit aber für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. Für dieses Modell hatte sich die FDP bereits in den vergangenen Jahren eingesetzt, war damit aber an der Union gescheitert. Ein FDP-Sprecher beurteilte gegenüber der taz die Chancen des Modells als Kompromiß optimistisch: „Es wird jeden Tag realistischer.“

Unterdessen brach in der CDU Streit um den Beginn der Unterschriftenaktion aus. Der Spitzenkandidat der hessischen CDU für die Landtagswahl, Roland Koch, kündigte den Start bereits für Donnerstag dieser Woche an. Die Bundespartei dementierte prompt und nannte den 24. Januar als unverändert gültigen Termin.

Aus dem Lager der Koalition zeigte sich SPD-Parteichef Lafontaine gesprächsbereit. „Wir wollen versuchen, auf der parlamentarischen Ebene Verständigung zu erzielen“, versicherte er. Er sei überzeugt, daß weite Teile der CDU und der FDP das Konzept der Koalition mittragen könnten. SPD und Grüne wollten nicht unbedingt, daß die doppelte Staatsbürgerschaft zum Regelfall werde. Es gehe vielmehr darum, das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht zu europäisieren und die Praxis anderer Länder zu übernehmen. Patrik Schwarz