: „Die Kampagne hat auch ihr Gutes bewirkt“
■ Bülent Arslan vom Deutsch-Türkischen Forum der CDU ist gegen die doppelte Staatsbürgerschaft
taz: Herr Arslan, Ihre Partei, die CDU, will nun doch eine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft führen. Haben Sie sich schon mal überlegt auszutreten?
Bülent Arslan: Nein, ganz und gar nicht. Ich fühle mich in der CDU zu verwurzelt und mache deshalb eine solche Frage nicht von Einzelfällen abhängig. Ich habe meine Kritik an der Kampagne geäußert, und glücklicherweise haben viele maßgebliche Vertreter in der Union die Art und Weise, wie die Kampagne initiiert worden ist, ja auch kritisiert.
Wie reagieren aber die türkischstämmigen CDU-Mitglieder?
Mein Telefon klingelt pausenlos. Viele sind irritiert, was auch daran liegt, daß die türkischen Medien sehr einseitig gegen die CDU polemisieren. In einigen türkischen Tageszeitungen wurde sogar die Faxnummer der Bundesgeschäftstelle der CDU angegeben.
Das Deutsch-Türkische Forum wurde unter anderem gegründet, um Türken an die CDU heranzuführen, um sie zur Mitarbeit zu gewinnen. Schadet die Unionskampagne nun dem Ansehen des Vereins?
Das ist schwer zu sagen. Im Augenblick spüre ich eher die gegenteilige Reaktion. Viele melden sich und sagen: Jetzt wollen wir erst recht mitmachen, weil wir sehen, daß wir in deutschen Parteien gebraucht werden.
Der ehemalige Bundesminister Jürgen Rüttgers, der zu den Gründungmitgliedern des Deutsch-Türkischen Forums (DTF) gehört, soll nun das Papier der Kampagne ausarbeiten. Haben Sie schon mit ihm gesprochen?
Nein. Aber ich stehe im Kontakt mit seinem Büro. Dort liegt auch ein zehnseitiges Integrationspapier, das wir kürzlich vom DTF verabschiedet haben. Ich bin sicher, daß manches davon sich in dem Text für die Kampagne wiederfinden wird.
Warum sind denn auch Sie gegen die doppelte Staatsbürgerschaft?
Ausschlaggebend für mich ist, insbesondere gegenüber der großen Gruppe der Türken, der integrationspolitische Faktor. Die Türken oder die Türkischstämmigen in Deutschland sind leider immer noch zu stark an der Türkei orientiert, von der Denkweise her, auch von der politischen Ausrichtung. Mit einer dauerhaft verliehenen doppelten Staatsbürgerschaft, so befürchte ich, wird sich die Hinwendung an das Herkunftsland weiter verfestigen. Das kann niemand wollen, der hier mitgestalten will.
Die CDU hat doch aber selbst die minimale Chance einer erleichterten Einbürgerung verpaßt.
Ja, leider. Ich war ein großer Anhänger des Vorschlags einer Gruppe junger CDU-Bundestagsabgeordneter, die in der vergangenen Legislaturperiode die deutsche Staatsbürgerschaft ab Geburt für hier geborene Ausländerkinder vorgeschlagen hatten. Wäre ihr Vorschlag in der Union ernsthaft aufgegriffen worden, bräuchten wir uns heute über eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr unterhalten.
Hat Ihr Parteichef Wolfgang Schäuble durch seine schroffe Gangart einen Kompromiß mit der rot-grünen Regierung nicht gerade unmöglich gemacht?
Nein, ich glaube, eher das Gegenteil ist der Fall. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist insbesondere von den Grünen in den letzten Jahren sehr stark ideologisiert worden. Ich habe den Eindruck, insbesondere Teile der SPD beginnen erst jetzt, sich über die Folgen dessen, was man da einführen will, klar zu werden.
Das klingt ja, als könnten Sie Schäubles Kurs etwas Positives abgewinnen.
Sagen wir es mal so: Ich wünsche mir für die Zukunft mehr sprachliche Sensibilität bei diesem Thema. Aber was Sie sagen, stimmt schon. Die Kampagne hat auch ihr Gutes bewirkt. Noch nie ist in der CDU so intensiv über Integrationspolitik diskutiert worden wie jetzt. Ein Fehler der CDU war aber ganz eindeutig, daß in den letzten Jahren stets gegen die doppelte Staatsbürgerschaft argumentiert wurde, ohne konkrete Alternativen aufzuzeigen. Vor allem müssen wir künftig aufpassen, daß wir uns im Bereich Ausländerpolitik nicht von den Freunden der CSU in eine bestimmte Ecke drängen lassen. Die CDU, auch hier in Nordrhein-Westfalen, muß bundespolitisch offensiver werden.
Wäre es nicht besser, man käme im Bundestag zu einem Kompromiß, damit die Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts am Ende nicht allein als rot-grünes Projekt dastünde?
Ich wünschte mir, daß sich mehr als zwei Parteien darüber einigen. Ich würde etwa den Kompromiß begrüßen, den Christian Wulff noch mal vorgeschlagen hat, nachdem mit der Volljährigkeit die Doppelstaatsbürgerschaft endet und sich der Betroffene für einen der beiden Pässe entscheiden muß. Darauf könnte, ja müßte sich auch die CDU einlassen. Aber im Augenblick bin ich sehr skeptisch, ob die Bundesregierung sich bewegen wird.
Warum sind Sie so pessimistisch?
Ich befürchte, Rot-Grün ist da zu sehr verhärtet. Interview: Severin Weiland
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