piwik no script img

Den Grünen faulen die Beine weg

■ Horrorvisionen: Die Vahr ohne grüne Beiratsliste. In Obervieland fallen gewonnene Mandate aus Personalmangel weg. Die Regierungspartei drücken an der Basis ernste Kandidatenprobleme

Der Obergrüne Joschka Fischer jettet durch die Welt. Aber an der Basis ringt die Bonner Regierungspartei mit ernsthaften Personalproblemen. Noch ist keineswegs ausgemacht, daß die Bremer Grünen bei der Wahl im Juni für alle 22 Ortsbeiräte genügend Kandidaten aufstellen können.

Auch die anderen kleinen Parteien teilen diese Sorgen in der Kommunalpolitik. Die FDP nominiert in schwachen Stadtteilen parteilose Sympathisanten, freilich „nicht nur zur Defizitabdeckung“, wie Parteichef Peter Braun beteuert. Die AfB hat sich angesichts interner Querelen noch nicht um die Beiräte gekümmert. Und selbst die CDU hat Sorgen in Arbeitervierteln wie Woltmershausen. Nur die mitgliederstarke SPD kann überall auswählen. Aber schon fehlt es oft an Nachrückern, die weggezogene oder abgetauchte Mandatsträger ersetzen. Die Folge sind Rumpf-Besetzungen in vielen Beiräten.

Bei den Grünen ist das von der Basis auf Bundesebene eingeforderte Rotationsprinzip auf der kommunalen Bühne „absurd“, sagt Hans-Jürgen Munier, seit Jahren Beirat in Obervieland. „Ich würde sofort rotieren“. Aber es gibt niemand, der seinen Platz einnehmen würde. Eine Frau, die sich als zweite Beirätin die mindestens zwei wöchentlichen Termine ans Bein bindet, finden die sechs grünen Aktivisten im Stadtteil gerade noch. Geht die Wahl günstig aus für grün, könnte es ein Problem geben. „Es kann uns passieren, daß ein dritter Sitz hinzukommt“, so Muniers kuriose Sorge. Der Stuhl müßte dann frei bleiben.

Es sei schwierig, Menschen für beiratsspezifische Themen wie Spielstraßen oder Tempo-30-Zonen zu interessieren. Und die bestehenden Initiativen verfolgten meist nur partielle Interessen, klagt Munier. So sei die starke Initiative gegen den Fluglärm nicht zu bewegen, auch Tempo 100 auf der nahegelegenen Autobahn einzufordern. „Dabei wird unser Stadtteil doch von allen Seiten zugelärmt.“

Verzweifelt ist die Lage der Grünen in der Vahr. Die Aktivisten, die 1995 noch eine siebenköpfige Liste zustande brachten und zwei Mandate holten, sind weggezogen. Im Moment ist niemand in Sicht, der seinen Namen zur Direktwahl auf die Liste schreiben ließe. Dabei sei es „eine Prestigefrage, ob die Partei in einem Stadtteil mit 30.000 Einwohnern präsent ist“, sagt Ralf Krnavek aus dem grünen Kreisvorstand im Bremer Osten. „Das wäre so, als wenn es in Verden keine Grünen gebe“.

Auch in anderen Stadtteilen, besonders in den Dörfer Seehausen, Borgfeld und Strom, aber auch in Großsiedlungen wie Tenever oder Blockdiek muß man grüne Kandidaten mit der Lupe suchen. Dort fällt das weniger auf, weil Tenever und Blockdiek im Beirat Osterholz vertreten werden. Und in Alt-Osterholz mit seiner eher bürgerlichen Struktur finden sich noch einige Aktivisten wie Krnavek, die sich für 30 Mark Sitzungsgeld die oft frustrierende Beiratsarbeit antun.

Um die Motivation zu steigern, müßten die Beiräte zu Bezirken mit eigener Verwaltung entwickelt werden, findet Krnavek. Gesamtbeiratssprecher Bernt Huse (CDU) aus Schwachhausen plädiert dafür, den Beiräten als professionelle Helfer Ämter für kommunale Dienste zur Seite zu stellen. Die Ortsämter hätten zur Zeit nicht die Fachkompetenz, bei Themen wie Bau, Verkehr oder Soziales den zentralen Verwaltungen Paroli zu bieten. „Deswegen müssen wir Beiräte uns alles selbst besorgen oder aus dem Bauch heraus entscheiden“. fog

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen