: Gemeinsam einander fremd
Zentralräte der Juden und Muslime in Deutschland treffen sich in Hamburg zum ersten Mal zu einer gemeinsamen Tagung ■ Von Elke Spanner
Das Gemeinsame von Juden und Muslimen, so sagte es 1997 der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, ist ihr Fremdsein in der deutschen Gesellschaft. Trotz dieser Gemeinsamkeit hatten die jüdische und die muslimische Gemeinde bisher kaum Kontakt zueinander aufgenommen. Erstmals trafen sich die Spitzen der beiden Glaubensgemeinschaften gestern zu einer Tagung in der Katholischen Akademie in Hamburg. Das „Orient-Institut“ hatte dazu eingeladen, die Frage „Juden und Muslime in Deutschland – Gemeinsam fremd?“ zu diskutieren. In der Bundesrepublik leben rund 2,7 Millionen Muslime und 78.000 Juden. In Hamburg lassen sich 75.000 Menschen vom Koran, 3000 von der Thora leiten.
„Obwohl wir dafür in den eigenen Reihen Kritik ernten werden“, sei er der Einladung gerne gefolgt, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas. Die Muslime „müssen lernen, daß wir zur Zusammenarbeit mit jedem Teil der Gesellschaft zur Verfügung stehen“. Ignatz Bubis, der dem Zentralrat der Juden vorsitzt, betonte, daß „der Neonazismus heute zur Solidarität zwingt“.
Daß man Koran- und Thora-Gläubige nicht „in einen Topf werfen“ dürfe, warnte Kai Hafez vom Orient-Institut. Er wies jedoch auf Parallelen hin: „Wie Juden früher sind Muslime heute dem Verdacht ausgesetzt, über eine Ideologie zu verfügen, die sie zur Vernichtung der westlichen Kultur oder zur Eroberung des christlichen Abendlandes einsetzen.“ Juden würden heutzutage eher positive Klischees zugeordnet, Muslimen negative wie Gewaltbereitschaft und Frauenfeindlichkeit. Beide Klischees „schaffen die Vorstellung des Andersseins und des Fremdseins“.
An den Begriff des „Fremd-seins“ knüpfte Ignatz Bubis an. Für ihn ist die heutige „Ausländerfeindlichkeit“ vielmehr eine „Fremdenfeindlichkeit“. Auch Muslime und Juden würden sich mit Mißtrauen begegnen. Die Gründe für die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen sieht Bubis zum einen in der Religion selbst, vor allem aber im Nahost-Konflikt. Die unterschiedlichen Loyalitäten versperrten den Blick auf gemeinsame Probleme in der deutschen Gesellschaft. In Israel würden häufiger Treffen zwischen jüdischen und islamischen Glaubensvertretern organisiert – trotz der dortigen politischen Spannungen. „Hier fürchten viele Muslime oder Juden, daß ihre Brüder das nicht akzeptieren würden.“
Vor einigen Jahren habe er schon einmal in Frankfurt mit hohen Vertretern des Zentralrates der Muslime an einem Tisch gesessen, erzählte Bubis. Sein Vorschlag, eine gemeinsame Erklärung zu veröffentlichen, sei aber nicht angenommen worden.
Eine Annäherung an Juden und Muslime sei nicht zuletzt auch Sache der Deutschen, betonte Günther Ginzel von der Kölnischen Gesellschaft für jüdisch-christliche Zusammenarbeit: Sie müsse „ein zentrales Bildungsanliegen“ der Gesellschaft sein.
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