■ Querspalte: Nackte Lyrik
Vor ein oder zwei Jahren beichtete ein Kollege seinen Karrieretraum: Er würde nichts lieber schreiben wollen als die Miniaturromane zu den nackichten Frauen auf der ersten Seite der Bild. Stich(!)proben ergaben, daß seine Bewunderung für diese Art Kurzprosa nicht ganz grundlos war. Besonders absurde Stücke kursieren meines Wissens schon lange in den Büros und auf den Baustellen dieser Republik.
Nun endlich hat es auch in den Feuilletons geschnackelt. (Und wenn die was merken, wird es natürlich zum Kult erklärt, posthum sozusagen.) Daß die „Glanzrubrik“ (Zeit) obendrein von einer Frau verfaßt wird, von einer promovierten Zahnärztin gar... Das hätte man sich nicht besser ausdenken können. Beziehungsweise das ist es ja gerade: Nur eine Frau vermag „subversiv die ewig gleichen Männerphantasien“ (Zeit) zu karikieren, „aus Porno Dada“ machen.
Der Spiegel übernahm schließlich die Aufgabe, pseudokritisch den Bohay um „die kesse Katja, 29“ zusammenzufassen und zu deuten, einerseits über „die Herrschaften vom Feuilleton“ und „honorige Kultureinrichtungen“ ziemlich bieder zu spotten, als ob man selbst nicht dazugehöre; andererseits „die muntere Rinnstein-Prinzessin“ Dr. Kessler mit ziemlich schwachen Umschreibungen zu schmücken wie „versaute Publizistin“ und „freche Erotissima“.
Was jetzt noch fehlt? Der Toptip für den nächsten Hype. Geeignet dafür sind beispielsweise die gehauchten Offstimmen in der Telefon-Sex-Reklame. Neulich hörte ich das dubiose Versprechen: „Ich mach's dir, bis du dich nicht mehr bremsen kannst.“ Ist das nicht auch schon nahe an poetischer Überhöhung? Müßte es nicht im Gegenteil korrekt heißen: „... bis du dich nicht mehr bewegen kannst“? Wer weiß, vielleicht steckt auch wieder eine Autorin dahinter.
Aber im Zeitalter der Postsexualität bleibt es insgesamt bei der Arbeitsteiliung, wie sie Funny van Dannen in einem seiner neuen Lieder beschreibt: „Die Männer brüllen Scheiße / Und die Frauen putzen das Klo.“ Dietrich zur Nedden
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