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Von Seife bis Salmiakpastillen

Apotheken bieten mehr als Medikamente auf Rezept. Vieles, wie Zahnpasta oder Gewürze, ist sogar billiger als im Supermarkt  ■ Von Karen Schulz

Samstag abend: Die Zahnpasta ist verbraucht, aus der Make-up-Tube kommt nur noch lauwarme Luft, Freund und Piste warten – ein Notfall. Und ein Fall für die Nachtdienstapotheke: „Mehr als 80 Prozent der Notdienstkunden sind gar keine“, bestätigt Sven-Jörg Buslau, Inhaber der Glocken-Apotheke am Winterhuder Marktplatz. Sondern klingeln tatsächlich wegen einer Packung Tempotücher, „obwohl sie ja auch mal Klopapier benutzen könnten“, wie eine erboste Kollegin erzählt. Buslau hingegen sieht das service-orientiert: „Man wäre ja verrückt, wenn man dem Kunden zu den Kopfschmerztabletten die Halspastillen nicht verkaufen würde mit dem Argument, das sei im Notdienst nicht erlaubt.“

Was verkauft werden darf und was nicht, „regelt die Apothekenbetriebsordnung“, erklärt Dr. Reinhard Hanpft von der Apothekerkammer Hamburg. Neben Arzneimitteln sind das vor allem verwandte Produkte wie Verbandszeug oder ärztliche Instrumente, aber auch Chemikalien, Pflanzenschutzmittel, diätetische Lebensmittel, Tees, Säfte, Kosmetika oder Spezialnahrung für Hochleistungssportler. Für den Notdienst gibt es zwar einige Einschränkungen, aber die Vorschriften lassen hier Raum für Interpretationen, so Hanpft.

Außerhalb der Notdienstzeiten kaufen die meisten Menschen Hygieneartikel, Kosmetika oder die zahllosen freiverkäuflichen Pulver und Pillen allerdings eher in Drogerie- oder Supermärkten, die Apotheken sind ihnen in der Regel zu teuer. Lieb jedoch wegen der fundierten Beratung: Welche Kapseln empfehlenswert sind, welche Wirkung zu erwarten sei und eben auch welche Nebenwirkung, „dazu“, sagt Reinhard Hanpft, „dürfen in Apotheken nur ausgebildete ApothekerInnen und PTAs (Pharmazeutisch-Technische AssistentIn) beraten.“

Diese – in Zeiten von eher mauer Kundenbetreuung – geradezu paradiesischen Zustände bieten Apotheken nicht ganz freiwillig: Selbst die Öffnungszeiten von 8 bis 18.30 Uhr werden von der Betriebsordnung festgelegt – Schließungen in dieser Zeit müssen gesondert beantragt und von der Gesundheitsbehörde genehmigt werden. Dieser Service muß bezahlt werden, und das schlägt sich in den Preisen ebenso nieder wie die Tatsache, daß kleine Abnahmemengen zu einem höheren Endpreis führen. Daher kommt es mittlerweile immer häufiger vor, daß Leute sich zwar in der Apotheke beraten lassen, die Knoblauchpillen dann aber doch lieber im günstigeren Drogeriemarkt kaufen.

Wohl auch deshalb „schreiben 40 bis 50 Prozent der Apotheken rote Zahlen“, schätzt Buslau, und auch Christina Bischof-Deichnik von der Apothekerkammer räumt ein, daß in den nächsten Jahren vermehrt Apotheken aus finanziellen Gründen schließen müssen.

Da eine Öffnung der Apotheke in Anlehnung an das Modell „Drugstore“ nach amerikanischem oder englischem Vorbild in der Apothekenbetriebsordnung ausdrücklich abgelehnt wird, bleibt den Apotheken nur die Möglichkeit, sich ein medizinisches Nebenstandbein zu schaffen. Die Glocken-Apotheke z. B. hat sich auf homöopathische und anthroposophische Arzneimittel spezialisiert und fährt mit diesem zusätzlichen Service ganz gut.

Ein Preisvergleich mit den Konkurrenten – vom Supermarkt bis zur Tankstelle – bietet sich aber unbedingt an, betont Buslau: „Manche Zahnpastasorten sind in der Apotheke konkurrenzlos billig.“ Ebenso wie Gewürze, was seine Kunden insbesondere in der Adventszeit feststellen, wenn sie z. B. das Lebkuchengewürz zu günstigem Preis in der Auslage entdecken. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, daß man in einer Apotheke die Menge erhält, die man tatsächlich braucht, und nicht fertig abgepackte Großmengen kaufen muß. Daß Safran, das teuerste Gewürz der Welt, nicht nur in Apotheken geführt, sondern dort auch billiger zu haben ist als im Supermarkt, auf diese Idee muß man allerdings erst mal kommen.

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