piwik no script img

Betr.: Polizeieinsatz in Tempelhofer Schule

Die Diskussion um den Polizeieinsatz an einer Tempelhofer Hauptschule, wo ein siebzehnjähriger kurdischer Schüler zur Abschiebung aus dem Unterricht herausgeholt werden sollte, spitzt sich weiter zu. Der Leiter der Werner- Stephan-Oberschule, Siegfried Arnz, der sich dem Vorhaben widersetzt hatte, erhielt jetzt eine Anzeige wegen Strafvereitelung und Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz. „Eine Schule ist kein rechtsfreier Raum“, so der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Strunden.

Am vergangenen Mittwoch waren zwei Zivilbeamte in die Schule gekommen, um Murat E. festzunehmen. Der Schulleiter teilte den Beamten mit, daß dieser nicht da sei und daß er eine Festnahme auch dann nicht zulassen würde, wenn er in der Schule sei. Er forderte die Beamten auf, das Gebäude zu verlassen. Diese drohten mit einer Strafanzeige und bezogen vor der Schule Posten. Wenige Stunden später griffen sie sich aus einer Gruppe einen ausländisch aussehenden Schüler heraus. Eine Lehrerin, die zu verhindern versuchte, daß der Schüler, der nicht der Gesuchte war, in das Polizeiauto gezerrt wurde, erhielt eine Anzeige wegen Widerstands. Der Direktor hat Beschwerde beim Polizeipräsidenten eingelegt.

Gestern forderte Siegfried Arnz Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) auf, sich bei der Innenverwaltung für eine Klärung einzusetzen, wie bei unklarer oder nicht bestehender Aufenthaltsberechtigung von SchülerInnen zu verfahren ist. „Diese Klarstellung muß meiner Auffassung nach beinhalten, daß Festnahmen zum Zwecke der Abschiebung in Schulen und auch auf dem Schulweg ausgeschlossen werden“, heißt es. Ausnahmen dürften nur im Fall von Straftaten gemacht werden. Doch gegen Murat E., der seit zwei Jahren in Deutschland lebt und seit einem Jahr die Werner- Stephan-Oberschule besucht, liegt nichts vor. Gegen die Ablehnung seines Asylantrags ist derzeit eine Klage anhängig.

Das Schulkollegium verurteilte den Polizeieinsatz: „Solch ein Vorgehen widerspricht zutiefst den humanen und pädagogischen Zielen, die unser Kollegium seit Jahrzehnten erfolgreich verfolgt.“ An der Werner- Stephan-Oberschule, die sich seit vielen Jahren der Integration von Flüchtlingskindern annimmt, lernen Schüler aus über 20 Nationen. Der Leiter des Landesschulamtes, Wolfgang Schimmang, bezeichnete den Einsatz als „problematisch“: „Die Polizeiführung sollte sich sehr genau überlegen, ob so ein Zugriff in einer Schule notwendig ist“, sagte er zur taz. Doch der Schulleiter irre, wenn er glaube, daß die Polizei grundsätzlich kein Zugriffsrecht an Schulen habe. Auch der Tempelhofer Bildungsstadtrat, Ekkehard Band (SPD), äußerte Verständnis für das Handeln des Schulleiters. Die GEW kritisierte das Vorgehen als „unerträgliche Beeinträchtigung“ der Schule.

Die Bündnisgrünen fordern von der Innenverwaltung, auf die Abschiebung von Jugendlichen, die sich noch in der Ausbildung befinden, zu verzichten. „Schulen brauchen einen pädagogischen Schonraum“, so deren bildungspolitische Sprecherin, Sybille Volkholz. Am Donnerstag wollen die Grünen eine mündliche Anfrage im Abgeordnetenhaus einbringen. wahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen