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Friedenskonferenz für Kosovo?

■ Die westliche Diplomatie debattiert, wie die Kriegsparteien an einen Tisch gebracht werden können. Über den Inhalt eines militärischen Ultimatums an Jugoslawiens Präsidenten Milošević ist sich die Nato immer noch nicht einig

Brüssel/Priština (AFP/AP/rtr) – Nato und Balkan-Kontaktgruppe wollen zur Befriedung des Kosovo-Konflikts die Parteien an einen Tisch bringen. Auf einer Friedenskonferenz nach dem Vorbild von Dayton sollen sich die Serben und Kosovo-Albaner auf eine gemeinsame Lösung für die serbische Provinz einigen. Um den Druck auf die verfeindeten Seiten zu erhöhen, erwägt die Nato, mit militärischen Maßnahmen für den Fall zu drohen, daß auf der Konferenz keine Einigung zustande kommt. Doch welche Militärschläge wann angedroht werden sollen, ist in der Nato strittig.

Der Nato-Rat konnte sich deshalb bei seiner gestrigen Sitzung in Brüssel nach Diplomatenangaben zunächst nicht auf die von Washington verlangte Linie einigen. Die USA hatten ultimativ verlangt, der jugoslawische Präsidenten Slobodan Milošević müsse seine Kampftruppen aus dem Kosovo abziehen und Verhandlungen beginnen. Andernfalls müsse er mit einer Nato-Militäraktion rechnen. Der Nato-Rat wollte gestern abend erneut zusammenkommen, um über die Erklärung an Milošević zu debattieren. Vermutlich werden die Beratungen aber bis zum heutigen Donnerstag andauern. Dann soll auch UN-Generalsekretär Kofi Annan am Sitz der Allianz eintreffen. Rund 300 Kosovo-Albaner blockierten während der Ratssitzung vorübergehend die Hauptzufahrt zum Sitz der Nato und forderten eine westliche Militärintervention.

Das Tauziehen zwischen den 16 Nato- Botschaftern um ein „Ultimatum“ an Milošević offenbart die grundsätzlichen Meinungsunterschiede über die Kosovo-Strategie des Westens. Nach Auffassung der US-Regierung sollten mit einer möglichst scharfen Erklärung die Bemühungen der Balkan-Kontaktgruppe bei der Suche nach einer politischen Lösung der Krise verstärkt werden. Die Niederlande und die nordischen Bündnispartner schlossen sich hierbei den USA an. Die Kontaktgruppe soll noch in dieser Woche zu Beratungen zusammenkommen.

In Paris und Bonn wurden ultimative Drohungen der Allianz gegen Jugoslawien dagegen als eine Belastung für die Vermittlungsversuche der Kontaktgruppe gesehen. Eine „Warnung“ der Nato sollte nach deutsch-französischen Vorstellungen auch an die Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) ergehen.

US-Außenministerin Madeleine Albright sprach sich erneut für ein schnelles Handeln aus, um eine politische Regelung der Kosovo-Krise durchzusetzen. Es müsse auch bedacht werden, was „durch militärischen Druck“ erreicht werden könne, sagte Albright in Kairo. Ein ranghoher US-Vertreter erklärte, die Nato könnte Milošević eine Frist von „ein paar Wochen“ setzen, um eine Verhandlungslösung der Kosovo-Krise zu akzeptieren.

Ungeachtet der internen Debatte setzte die Allianz ihren Aufmarsch vor Jugoslawien fort. Der französische Flugzeugträger „Foch“ lief in der Nacht zum Mittwoch von Toulon in Richtung Adria aus. Frankreich verlegt außerdem rund zehn Mirage- Kampfflugzeuge nach Italien.

Unterdessen kam es gestern im Kosovo zu neuen Gefechten. Mitglieder der UCK kündigten die Bildung einer „verfassungsgebenden Versammlung und Regierung“ für den Kosovo an. Tagesthema Seite 3

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