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Familien kriegen eigenes Steuergesetz

Rot-Grün will im Sommer ein „Familienentlastungsgesetz“ vorlegen. Das Kindergeld wird auf über 300 Mark erhöht, Steuervorteile von Großverdiener-Ehen gekappt. Mindereinnahmen von 40 Milliarden Mark?  ■ Von Christian Füller

Berlin (taz) – Die rot-grüne Koalition plant ein eigenes Gesetz zur Entlastung von Familien. Die Regierung will darin das Kindergeld weiter erhöhen und Partner mit Kindern steuerlich deutlich besser stellen, als dies in der Ära Kohl der Fall war. „Wir werden alle Fragen zusammenfassen, die sich auf das Leben mit Kindern beziehen, und die Familiensteuer so umstrukturieren, daß sie dem Verfassungsauftrag gerecht wird“, sagte die Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, Christine Scheel, der taz.

Der bis zur Sommerpause vorzulegende Entwurf trägt den Arbeitstitel „Familienentlastungs“- Gesetz. Das Paragraphenwerk soll die bereits eingeleiteten rot-grünen Erleichterungen für Familien mit jenen Besserstellungen verbinden, die das Bundesverfassungsgericht vergangene Woche gefordert hat. Diese Verknüpfung kann laut Bundeskanzler Schröder (SPD) dazu führen, daß das Kindergeld deutlicher erhöht wird als ursprünglich geplant. Bislang wollte die Koalition direkte Zahlungen des Staats für Kinder bis 2000 auf 260 Mark erhöhen. Nun sind Beträge von über 300 Mark im Gespräch.

Es sei eine „schreiende Ungerechtigkeit“, begründete der Kanzler im Tagesspiegel, daß der Besserverdienende „über die Freibeträge für seine Kinder noch besser gestellt wird“ – der Normalverdiener aber lediglich ein festes Kindergeld erhalte. Der Bundesverband für Lohnsteuerhilfe hat ausgerechnet, daß der jährliche Steuervorteil von Besserverdienenden mit Kindern über 1.800 Mark höher liegt als der von Beziehern kleiner Einkommen. Gegenüber Journalisten kündigte Schröder an, Gutverdienenden das Kindergeld ganz zu streichen: „Ob die nun wirklich Kindergeld brauchen, halte ich für ziemlich zweifelhaft.“

Das Familienentlastungsgesetz wird nach Informationen der taz die Vorteile des sogenannten Ehegattensplittings weiter eindämmen. Bislang addieren sich die Steuervorteile für einkommensstarke Ehepartner auf über 20.000 Mark pro Jahr. Rot-Grün wollte den Splittingvorteil ursprünglich auf 8.000 Mark begrenzen. „Abschaffen kann man das Splitting sicherlich nicht“, hieß es gestern mit Blick auf ein anderes Urteil des Verfassungsgerichts. Aber die Koalition erörtere weitere Schritte, das Splitting gerechter zu gestalten.

Deutschlands oberster Steuerberater Jürgen Pinne behauptete unterdessen, die von Karlsruhe geforderten Steuererleichterungen für Familien kosteten den Staat jährlich 40 Milliarden Mark. Bisher war von 22,5 Milliarden Mark Mindereinnahmen ausgegangen worden, die aber erst im Haushaltsjahr 2002 auftreten werden.

Die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Gerda Hasselfeldt, forderte die Bundesregierung auf, die geplante Steuerreform zu stoppen. Rot-Grün müsse „endlich Ordnung in die Steuergesetzgebung bringen“, sagte Hasselfeldt. Die frühere Bundesministerin hatte jene Benachteiligungen für Familien am Kabinettstisch Kohl mit beschlossen, die das Verfassungsgericht gerade kassiert hat.

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