: Eine Terrorgruppe mit einem einzigen Mitglied
■ Die Anklage hält Franz Fuchs für einen Einzeltäter. Doch ein Historiker bezweifelt das
Franz Fuchs wird für 25 Briefbomben und drei Rohrbomben verantwortlich gemacht. Vier Tote und zehn Verletzte sollen auf sein Konto gehen. Doch ist Fuchs ein Einzeltäter? Die Staatsanwaltschaft und Michael Sika, im Innenministerium für die öffentliche Sicherheit zuständig, gehen davon aus. Die Bajuwarische Befreiungsarmee (BBA), eine um die Reinhaltung der deutschösterreichischen Rasse bemühte Geheimorganisation, in deren Auftrag Fuchs gehandelt haben will, sei ein reines Hirngespinst des Angeklagten.
Für die These spricht nicht nur die Tatsache, daß die Kriminalisten nicht den geringsten Hinweis auf die Existenz einer derartigen Terrortruppe gefunden haben. Seit der Festnahme des Angeklagten sind auch keine neuen Bomben und Bekennerschreiben mehr aufgetaucht. Und Psychiater Reinhard Haller konnte Fuchs nicht die geringste Andeutung entlocken, die dessen Rolle als „kleines Rädchen in der Organisation“ untermauert: „Er argumentiert – was für das festgenommene Mitglied einer verschworenen Gruppe typisch wäre – kein einziges Mal mit Hoffnung auf Befreiung, der Möglichkeit von Racheanschlägen oder der Angst, bei weiteren Angaben... als Verräter dazustehen.“
Damit sei nicht bewiesen, daß der mutmaßliche Serienattentäter keine Komplizen gehabt habe, meint dagegen der Salzburger Historiker Heinz Dopsch. Er ist überzeugt, daß Fuchs die Bomben gebastelt hat, hält es aber für ausgeschlossen, daß auch die Bekennerschreiben aus seiner Feder stammen: „Darin sind sich alle Wissenschaftler einig.“ Denn die in die Pamphlete eingestreuten Exkurse in die mittelalterliche Geschichte Österreichs enthalten Passagen, „die man nicht aus Lexika oder Sachbüchern abschreiben kann“. Dopsch erklärte in einem Interview, er vermute eine undichte Stelle im Innenministerium: Mehrmals hätte der Verfasser der Bekennerbriefe auf seine Gutachten, die nur dem Sicherheitsdienst bekannt gewesen seien, reagiert.
Die Einzeltäterthese will auch Pflichtverteidiger Gerald Ruhri erschüttern. Fuchs behauptet, er hätte die fertigen Bomben von der BBA über sogenannte tote Briefkästen im Gelände bekommen. Für die filigrane Bastelarbeit seien seine Augen viel zu schwach. Tatsächlich fehlt jede Spur vom chemischen Labor, wo die Artefakte zusammengebaut wurden. Ob Fuchs vor seiner Festnahme alle verdächtigen Substanzen und Bücher entfernt hat oder die Bomben woanders gebaut wurden, soll der Prozeß klären.
Fuchs selbst rechnet fest mit lebenslänglich. Deswegen gibt er sich mit einem Pflichtverteidiger zufrieden und kooperiert auch mit dem auch nur dürftig. Ruhri glaubt nicht, daß sein Mandant mit einem Vollgeständnis die Arbeit der Geschworenen erleichtern wird. Dennoch oder gerade deswegen wird das Schwurgericht in Graz bis zur Urteilsverkündung am 1. März zum Schauplatz einer in der Zweiten Republik einmaligen Justizshow werden.
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