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AKW-Betreiber: Ausstieg noch im dritten Jahrtausend

■ Bedingung der Konzerne für die Konsensgespräche: Noch 50 Jahre lang sollen AKWs laufen. Vor 2019 wollen sie keins vom Netz lassen. SPD: Noch vor 2002 anfangen

Berlin (taz/rtr) – Nach ihrem schönen Erfolg bei der Verlängerung der Wiederaufarbeitung gehen die AKW-Betreiber zum nächsten Thema über – der restlichen Laufzeit der Kraftwerke. Dabei haben sie intern errechnet, wie lange die Meiler noch laufen müßten, damit aus ihrer Sicht die Konsensgepräche mit der Bundesregierung Sinn machen. Demnach würde als erstes Atomkraftwerk Obrigheim stillgelegt – im Jahre 2019. Ein Jahr später würde Stade folgen, dann kleckern immer wieder ein paar daher, 2034 als vorletztes Philipsburg 1 und Krümmel. Schließlich ginge 2047 der letzte Reaktor vom Netz, Brunsbüttel. Wie die Welt am Sonntag aus Kreisen der Energiemanager erfuhr, würden kürzere Laufzeiten einen Konsens bei den ab März anstehenden Konsensgesprächen verhindern.

Weil die Drohung mit Schadenersatzsummen beim Verbot der Wiederaufarbeitung die inhaltliche Diskussion erfolgreich verhindert hat, sprechen die Stromkonzerne nun wieder von Forderungen an die Bundesregierung. Ihrer Meinung nach kommt es einer Enteignung gleich, wenn die Anlagen früher abgeschaltet würden als von den Besitzern vorgesehen. Dabei gehen sie von 40 bis 60 „Vollastjahren“ für jedes AKW aus. Das heißt, nur die Tage zählen voll, an denen der Meiler auch mit seiner gesamten Megawatt-Leistung am Netz war. Je öfter also ein Reaktor wegen Prüfungen oder nach Pannen stilliegt, desto mehr Kalenderjahre würde er nach dieser Rechenart betrieben.

Ganz anders als die Atomkonzerne sieht es der Fraktionschef der SPD im Bundestag, Peter Struck. Er und sein bündnisgrüner Amtskollege Rezzo Schlauch sagten gestern in der ZDF-Sendung „Halb zwölf“, die ersten Atomkraftwerke würden auf alle Fälle noch in dieser Legislaturperiode vom Netz genommen. Der Ausstieg aus der Atomenergie müsse für die Bevölkerung glaubwürdig vollzogen werden. Struck und Schlauch wollten sich in der Sendung allerdings nicht auf Fristen für das endgültige Aus der Atomenergie in Deutschland festlegen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende bezeichnete es aber als „ganz sicher“, daß die ersten Atomkraftwerke bis zum Jahr 2002 abgeschaltet würden.

Der Spitzenkandidat der französischen Grünen bei der Europa-Wahl, Daniel Cohn-Bendit, sieht das Jahr 2010 als zentrales Datum für eine Entscheidung über den europaweiten Ausstieg aus der Atomkraft an. In einem Interview des Berliner Tagesspiegels sagte Cohn-Bendit, zu diesem Zeitpunkt müßten die Franzosen entscheiden, ob sie ihren „Atompark“ erneuern wollten. Spätestens bis dahin müsse die Bundesrepublik in der Lage sein, konkrete Vorschläge zur europäischen Energieversorgung unabhängig vom Atomstrom zu machen. „Die Atomenergie ist der Sozialismus“, meinte Daniel Cohn-Bendit. „Sie ist die völlig verplante Wirtschaft in einem geschlossenen System. Aus ihr auszusteigen ist sehr schwer.“ rem

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