: Anfang vom Ende?
Konzepte und Wünsche für Schanze und Wasserturm zwischen Kommerz und Mäzenen ■ Von Gernot Knödler
Weil dem Wasserturm im Sternschanzenpark der Kommerz droht, hat die Szene des Viertels die Patriotische Gesellschaft um Hilfe gebeten. Die Damen und Herren sollen zusammen mit der Wasserturminitiative der „Gesellschaft für moderne Lebensgestaltung und Persönlichkeitsentfaltung“ zu Spenden für die Sanierung des Turms aufrufen – auf daß das Viertel von zunehmendem Verkehr, steigenden Mieten und bräsigen Touristen verschont bleibe und der Turm mit seinem einzigartigen Innenleben so bleiben kann, wie er ist.
Bisher wurden allerdings keine Spender gefunden, profitorientierte Investoren dagegen schon. Was es für Auswirkungen hätte, wenn ein Imax-3D-Kino in den ehemaligen Wasserturm gebaut würde (taz berichtete), wurde am Montagabend in der Christuskirche heiß diskutiert.
Wie der Bergfried einer Trutzburg steht der große rote Turm im Sternschanzenpark. Soll der Bau aus einem Stahlskelett mit Klinkerfassade und Ziegeldach nicht einstürzen, muß er saniert werden. Der Stadt fehlt dafür das Geld, weshalb sie den Turm bereits Anfang der 90er Jahre an den Münchener Architekten Ernest-Joachim Storr verkaufte. Zwei Ideen, den wilhelminischen Bau wirtschaftlich zu nutzen, sind seither gescheitert. Und weil auch der jüngste Vorschlag des Imax-3D-Kinozentrums auf große Skepsis vieler AnwohnerInnen stößt, hatten SPD und GAL zu der Anhörung eingeladen.
Als Knackpunkt erwies sich der Verkehr: Bei einer 50prozentigen Auslastung der drei Säle sei mit gut einer Million Besuchern im Jahr zu rechnen, sagte Projektentwickler Wolfgang Marquardt. Bei einem guten Dutzend Vorstellungen kämen stündlich also 300 Menschen, wegen der günstigen Lage bloß die Hälfte davon mit dem Auto und dann auch noch zu zweit. Stündlich führen also 75 Wagen in die Schanzenstraße und wieder hinaus. Gegenwärtig verkehren dort 900 bis 1100 Autos in der Stunde. Das Kino brächte eine vertretbare Belastung, findet Marquardt.
Eckhard von Seld von der Wasserturminitiative geht dagegen – zumindest an Wochenenden – von einer fast 100prozentigen Auslastung aus und errechnet eine beinahe doppelt so hohe Verkehrsbelastung. Die Besuchermassen, Abgase und der Lärm bedrohten Park und Viertel. „Der Wasserturmpark ist ein Ruheraum, in den sich dieses absolut gestreßte Viertel 'mal zurückziehen kann“, unterstrich ein Diskussionsteilnehmer.
Jürgen Mantell versuchte, die Auswirkungen zu relativieren: „Die Verkehrsprobleme werden am größten sein, aber sie bleiben in einem überschaubaren Rahmen“, behauptete der Eimsbütteler SPD-Bezirksamtsleiter. Die im Wasserturm geplanten 650 Plätze seien wenig im Vergleich etwa zum Cinemaxx am Dammtor mit 3000 Sitzen.
Für die Szene stellt sich das Kinoprojekt dennoch als Anfang vom Ende des heutigen Schanzenviertels dar. „Die Bevölkerung kapiert schon, daß wir hier vertrieben werden sollen“, rief Franziska von der Roten Flora. Als Alternative schlägt die Initiative ein Thermalbad mit Kulturzentrum im Kellergewölbe des Turms vor. Die Parole dazu lieferte das Transparent neben dem Podium: „Wasserturm wird Volkseigentum.“
Die nächste Veranstaltung zum Wasserturm haben GAL und SPD für den 10. Februar angekündigt.
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