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Pro 7 braucht einfach dringend gute Nachrichten

■ Der erfolgverwöhnteste Privatsender aus dem Kirch-Reich entfaltet einen Zauber nach dem anderen, um davon abzulenken, daß es nur noch matt läuft: Nun eröffnet er auch noch einen Nachrichtenkanal

Ein Fernsehsender wie Pro 7 müßte man sein, das war lange der geheime Traum der TV-Branche: Der Kanal hatte die jüngsten Zuschauer, das perfekteste Image, die traumhafteste Rendite und einen Chef, der noch die trübsten Aussichten mit Wörtern wie „Phantasie“, „Power“ und Gala-kompatibler goldbraungebrannter Tiroler Burschenunschuld zur großartigen Perspektiven hochzujubeln weiß. Weil der ganze Sender so gut aussah wie sein Chef Georg Kofler, war er 1997 das erste Unternehmen aus dem Umfeld des TV-Riesen Leo Kirch, das für diesen an der Börse Geld einsammeln durfte: Mindestens 700 Millionen Mark hat der Börsengang des von Sohn Thomas kontrollierten Senders in die Kassen des klammen Papas gespült. Kofler fand das Ereignis selbstverständlich „sexy“.

Doch inzwischen sind seiner tollen Firma ein wenig die Lebenssäfte geschwunden: Der Börsenkurs hängt dem Dax immer weiter hinterher, die Quoten sacken seit letztem Jahr ebenfalls, und wäre da nicht der Billigkanal Kabel 1 im Portefeuille, eine wohlig wuppende Abspielstation für Kirchsche Lagerware, sähe es mit der Rendite auch äußerst blaß aus. Nur Kofler selbst bleibt braungebrannt und gutgelaunt. Er verkündete gestern die Gründung eines neuen Nachrichtenkanals, gab zudem sogleich dem ganzen Formeln bei wie „strategische Weichenstellung“, „multimedial angelegte Gesamtstrategie“, „Innovationstempo“, „Wachstumsdynamik“ und dergleichen mehr. Spätestens im nächsten Januar soll „N 24“, der neue Kanal, senden.

Auf den ersten Blick sieht das tatsächlich verdammt dynamisch aus: In der letzten Woche hatte Kofler noch über den Kauf des existierenden Nachrichtensenders n-tv orakelt, kurz zuvor eben mal für knapp zehn Millionen die marode Ost-Nachrichtenagentur ADN mitgenommen und das ganze Jahr lang an jeder Ecke erzählt, nun würden andere Sender aufgekauft oder -gemacht, auf daß die Botschaft vom „Medienhaus mit Phantasie“ ankäme.

Das Versprechen immerhin hat Kofler seinen Aktionären nun erfüllt, die aufgrund einer speziellen Konstruktion nichts zu sagen haben. Prompt machte der Pro 7- Kurs an der Frankfurter Börse einen moderaten Sprung um knapp 3 Mark. Da der ganze Pro 7-Börsengang bislang mit ebensoviel virtuellem Potential funktionierte wie das Programm des Senders, kann es so natürlich auch weitergehen. Wahrscheinlich ist das nicht. Pro 7 braucht gute Nachrichten – da es sie nicht gibt, macht man sie sich nun selbst. Koflers Plan: Eine Einheit, die für (TV-)Nachrichten, Businessinfos und bunte Bilder aus der Welt da draußen generiert und auf allen Ebenen verscherbelt: Business-TV, Disco-TV, McDonald's-TV, vielleicht auch an Kirchs Fernsehsender. Ob das gewinnbringend sein kann, steht freilich in den Sternen, denn den Markt müßte Kofler erst noch öffnen.

Im Nachrichtenfernsehen jedenfalls versprechen die Pläne nicht viel: Kofler will sein Programm mit ungefähr der Hälfte des Geldes machen, das n-tv kostet. Und schon da wird das Programm recht billig zusammengestoppelt: Ein-Mann-TV-Teams des Gesellschafters Deutsche Fernsehnachrichtenagentur (DFA) liefern wacklige Berichte, Auslandsbilder sind vornehmlich zusammengekauft. Damit ächzte man sich soeben erst sechs Jahre nach der Gründung in eine äußerst zweifelhafte angebliche Gewinnzone. Marktanteil: 0,6 Prozent. Georg Kofler ficht das nicht an: So weit wie n-tv wolle man mit „N 24“ auch kommen, sagte er gestern. In drei Jahren. Lutz Meier

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