: Mädchen sollen zum Hammer greifen
■ Ministerin Christine Bergmann will frauentypische Berufswahl aufweichen
50.000 Jobs. Für Mädchen. So konkret steht es nicht im 100.000-Jobs-Programm der Bundesregierung. In den Richtlinien des Programms findet sich jedoch statt knackiger Beschlüsse eher die übliche Prosa: Junge Frauen seien „entsprechend ihrem Anteil an den noch nicht vermittelten Bewerberinnen und Bewerbern zu berücksichtigen“, heißt es. Frauenministerin Christine Bergmann, eine von zwei Frauen im ansonsten nur männlich besetzten „Bündnis für Arbeit“, fordert, die Hälfte aller Ausbildungsplätze für Mädchen bereitzustellen.
Nicht, daß es keinen Handlungsbedarf gäbe: 1997 waren zum Beispiel von den Jugendlichen, die eine Lehre abschlossen, nur 40 Prozent Mädchen. Überproportional viele von ihnen landen nach der Ausbildung auf der Straße: Sie machen im Westen 51 Prozent der Arbeitslosen mit abgeschlossener Ausbildung aus, im Osten sogar 58 Prozent.
Einer der Gründe dafür liegt auch darin, daß Mädchen sich immer für dieselben wenigen Berufe interessieren: Sie wollen Friseurin oder Arzthelferin werden, kaum aber Elektroinstallateurin oder Industriemechanikerin. Drei Viertel aller Ausbildungsberufe lassen Mädchen links liegen. In den kleinen Betrieben oder Praxen, die sie ausbilden, gibt es seltener einen Anschlußvertrag.
In Frauenberufen wird außerdem traditionell schlechter bezahlt: Für 1.800 Mark brutto schwingt die Friseurin die Schere. Würde sie als Industriemechanikerin ein paar andere Werkzeuge in die Hand nehmen, hätte sie einen Tausender mehr in der Tasche. Die Zahlen von Frauen in Männerberufen sind in den letzten Jahren sogar noch gesunken. Ein Grund, warum Frauenministerin Bergmann nun gezielt junge Frauen motivieren will, sich für die technischen Berufe zu interessieren.
Frauenbeauftragte in den Arbeitsämtern sollen Mädchen gezielt auf Alternativen zu ihren Wunschberufen hinweisen. Auch im 100.000-Jobs-Programm soll ihnen Lust auf „für sie untypische Berufstätigkeiten“ gemacht werden. Projekte, die Frauen in Männerberufen ausbilden, können besondere Fördermittel beantragen. Daß man das so überwinden kann, was in einschlägigen Studien unter „sozialisationsbedingte Barrieren“ abgehandelt wird, bleibt vage Hoffnung. Heide Oestreich
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