: Hoddle muß jetzt seine Sünden büßen
■ Englands Fußball-Nationaltrainer wird nicht nur wegen peinlicher Aussagen über Behinderte entsorgt – er hatte auch keinen Kredit mehr
Dublin (taz) – Hätte er wenigstens Erfolg gehabt, dann wäre Glenn Hoddle (41) heute womöglich noch Trainer der englischen Fußball-Nationalmannschaft. Aber von den letzten 8 Begegnungen wurden nur 3 gewonnen, u.a. die Spiele gegen Tunesien und Luxemburg. Darüber hinaus hatte er seit seinem Amtsantritt vor knapp drei Jahren einen Kleinkrieg gegen die Medien geführt, von denen er sich verfolgt fühlte. So stand ihm niemand bei, als er in dem verhängnisvollen Interview mit der Times behauptete, behinderte Menschen bezahlten für ihre Sünden in einem früheren Leben. Im Gegenteil: Das ganze Land einschließlich Premierminister Tony Blair entrüstete sich über Hoddle. Dienstag abend mußte er gehen.
Im Mai 1996 war der vormalige Nationalspieler Hoddle (52 Länderspiele) zum jüngsten England- Trainer aller Zeiten ernannt. Zunächst ging alles gut. England qualifizierte sich für die WM in Frankreich und schied durchaus ehrenvoll im Achtelfinale gegen Argentinien aus. Man wunderte sich allerdings, daß er die Gesundbeterin Eileen Drewery bei der Mannschaftsaufstellung stets zu Rate zog. „Voodoo Woman“, wie die Presse sie taufte, brachte ihn mit dem tiefgläubigen Schlagersänger Cliff Richard und der Organisation „Christen im Sport“ in Kontakt. Alles, was Hoddle tat, tat er in dem Glauben, auserwählt zu sein, eine „persönliche, spirituelle Beziehung zu Gott“ zu haben. Ein Spieler sagte, wenn man in die Nationalmannschaft berufen werde, sei es wie ein Eintritt in eine religiöse Sekte.
Der Anfang vom Ende kam nach der WM, als er sein „Tagebuch“ veröffentlichte, in dem er Interna über die Mannschaft ausplauderte – unter anderem Paul Gascoignes trunkenen Wutanfall, nachdem Hoddle ihm eröffnet hatte, er dürfe nicht mit zur WM. Seinen Starspielern Michael Owen und David Beckham hatte er zuvor bescheinigt, sie seien längst nicht so gut, wie sie glaubten. Nach dem lustlosen Spiel gegen Luxemburg Ende vorigen Jahres sickerte ein Streit mit der Mannschaft an die Öffentlichkeit, die Spieler hatten die Nase voll von ihm. Zum Schluß schickte Hoddle noch seine Tochter vor. „Ich unterstütze behinderte Menschen, und mein Papa tut es auch“, schrieb die 13jährige Zara Hoddle an die BBC.
Nun werden die üblichen Verdächtigen als Nachfolger diskutiert. Die Sache wird nicht einfach. „Bevor sie Hoddle zum Nationaltrainer machten“, sagte der frühere England-Trainer Bobby Robson, „wurden andere Namen gehandelt. Sie lehnten allesamt ab, weil sie den Job so gerne wollten wie ein Loch im Kopf.“ Ralf Sotscheck
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