: Grüne balkandiplomatisch
■ Fraktion weicht der Frage aus, ob UN-Mandat für Militäreinsatz zwingend ist
Bonn/Berlin (taz) – Die Bündnisgrünen setzen im Kosovo-Krieg auf Diplomatie – auf dem unübersichtlichen Schlachtfeld ebenso wie in den eigenen Reihen von Partei und Bundestagsfraktion. Es sei „sinnvoll“ eine „Mandatierung vom UN-Sicherheitsrat zu erlangen“, lautet die Marschroute für einen Friedenseinsatz der Bundeswehr im Kosovo. Diese verbindende, aber ausweichende Formel war gestern vom Fraktionschef Rezzo Schlauch und die verteidigungspolitischen Sprecherin Angelika Beer, gemeinsam erarbeitet worden. Damit hätten Schlauch und Beer zwar Zeit gewonnen, aber keine Lösung des grünen Konflikts zwischen den Interventionskritikern und denen erreicht, die einen Einsatz von Truppen auch ohne die Zustimmung der Vereinten Nationen befürworten, hieß es aus der Fraktion.
Schlauch und Beer seien dem Dissens nur ausgewichen. Das sei allerdings politisch legitim angesichts der schweren Entscheidung, die wegen der Kosovo-Friedensverhandlungen im französischen Rambouilet anstehe.
Andere Grüne wurden deutlicher. „Ich bin erstaunt, wie schnell grüne friedenspolitische Grundsätze über Bord geworfen werden“, sagte Christian Ströbele von der Fraktionslinken. Er stritt dem Papier von Beer und Schlauch kurzerhand ab, ein offizielles Dokument der Parlamentsgrünen zu sein. „Über diese Frage muß in der Fraktion noch diskutiert werden.“ Der Abgeordnete aus Berlin hält einen Auftrag der Vereinten Nationen für „unabdingbar“ – alles andere sei völkerrechtswidrig.
Am Dienstag hatte es bereits sehr unterschiedliche Stellungnahmen von Schlauch und Beer gegeben. Der Fraktionschef hatte gesagt, ein Kosovo-Einsatz sei auch ohne formales UN-Mandat möglich. Beer sprach scharf davon, es handle sich um den ersten Angriffskrieg mit Beteiligung der Bundeswehr – daher sei ein UN- Mandat unverzichtbar.
Die Kriegsparteien im Kosovo haben sich gestern nach Drohungen der westlichen Staaten de facto bereit erklärt, am Samstag bei Paris Friedensverhandlungen nach dem Muster des Dayton-Abkommens zu beginnen.
In dieser diplomatischen Offensive sehen Beer und Schlauch nun „die letzte Chance für eine Friedenslösung im Kosovo“. Die beiden maßgeblichen Grünen begrüßen dieses Szenario und weisen daraufhin, daß „nach dem Massaker von Racak“ kein Spielraum mehr für Verzögerungen sei. Mit „Massaker“ ist das Schlüsselwort gefallen, das notfalls alle Grünen zu einer Zustimmung von Einsätzen im ehemaligen Jugoslawien bewegen könnte. Beer und Schlauch sehen die Möglichkeit, daß die Nato und Rußland einen möglichen Friedensprozeß im überwiegend albanisch besiedelten Kosovo begleiten. Bei der Frage, ob auch die Bundeswehr dies tun solle, mündet das Papier dann in der Formel, es sei sinnvoll, vorher ein Mandat der UN zu erlangen.
Der Bundesvorstand von Bündnis 90/ Die Grünen hat unterdessen grundsätzliche Zustimmung zu einem möglichen Einsatz deutscher Bodentruppen im Kosovo signalisiert – falls es dafür ein Mandat der Vereinten Nationen gebe. Bodentruppen dürften erst nach Friedensverhandlungen zum Einsatz kommen. Der grüne Staatsminister im Außenministerium, Ludger Volmer, der dem linken Flügel zugeordnet wird, erkärte militärische Drohgebärden für legitim. Friedensbildung sei möglich. Aber „alle wissen, daß dies nur mit einer Drohkulisse gehen wird“. cif/tde
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