: Der König überlebte Gift und Bombe und starb an Krebs
■ In seinen 46 Amtsjahren stand Jordaniens König Hussein vor allem deshalb dauernd auf der Weltbühne, weil der Nachbar Israel heißt. Arabischen Nationalisten galt er als Verräter
„Langfristig gesehen haben wir wenig Vertrauen in König Husseins Fähigkeiten, den Thron zu halten, ja selbst das Überleben des jordanischen Staates steht in Frage“, heißt es in einem auf den 10. März 1959 datierten Bericht des Central Intelligence Service CIA. Da war der kleine haschemitische König gerade einmal sechs Jahre in Amt und Würden.
Es war eine der klassischen Fehleinschätzungen des US-Geheimdienstes. Bis zu seinem gestrigen Tod war König Hussein mit 46 Amtsjahren das am längsten dienende Staatsoberhaupt weltweit – mit Ausnahme der britischen Königin Elizabeth. Von Dwight Eisenhower bis zu Bill Clinton, von Charles de Gaulle bis zu Jaques Chirac, von Harold Macmillan bis zu Tony Blair – Hussein Ibn Talal hat in seiner Amtszeit mehrere Generationen Staatsmänner erfahren und überlebt.
Davon hat der junge Prinz Hussein wohl nicht einmal geträumt, als ein Page am 12. August 1952 an die Tür seines Zimmers in Lausannes Beau Rivage Hotel klopfte, um ihm auf einem silbernen Tablett einen Brief zu überreichen, adressiert an: Seine Majestät König Hussein. Zu Hause hatten Parlament und Königshof beschlossen, Husseins Vater Talal, der an einem Nervenleiden erkrankt war, seines Amtes zu entheben.
Wahrscheinlich wäre Transjordanien – ein vom britischen Empire beherrschtes, künstlich geschaffenes Gebilde – schnell zum belanglosen Wüstenreich verstaubt und dessen König in Vergessenheit geraten, gäbe es da nicht diesen kontroversen Nachbarn. Die Existenz Israels sorgte dafür, daß König Hussein weite Teile seiner Amtszeit auf der großen Bühne der Weltpolitik verbringen konnte.
Anders als für die arabischen Nationalisten unter Gamal Abdel Nasser in Ägypten oder der Baath- Partei in Syrien, ging König Hussein schon früh davon aus, daß Israel eine Realität darstellt, mit der es sich zu arrangieren gilt. Im Westen nannte man diese Politik „pragmatisch“, in der arabischen Welt „verräterisch“.
Zahlreich sind die geheimen persönlichen Kontakte des Königs mit israelischen Politikern in einer Zeit, in der derartiges noch als absolutes arabisches Tabu galt. „Imperialistischer Lakai“ war nur einer der Ausdrücke, mit dem Abdel Nassers Radiostation „Stimme der Araber“ den jordanischen Monarchen gerne belegte. „Wir werden kämpfen, bis wir den kriminellen König ausgeschaltet haben“, schallte der Sender.
Das waren nicht nur Worte. Zahlreich waren die Versuche aus Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien, Hussein eines unnatürlichen Todes sterben zu lassen. Einmal testete der Palastkoch sein Gift an sieben Katzen, bevor er es dem König, vermeintlich in syrischem Auftrag, unter das Essen mischte und dabei erwischt wurde. Ein anderes Mal fand sich eine Säure in des Herrschers Astmaspray, von denen ein paar Tropfen ausreichten, das Chrom des königlichen Waschbeckens aufzulösen. Von Bombenattentaten bis hin zu Hinterhalten hat der König alles unbeschadet hinter sich gebracht. Am bizarrsten entwickelte sich wohl ein Familienausflug, der von Amman über Zypern nach Genf geplant war. König Hussein saß selbst am Steuer seiner zweimotorigen Propellermaschine, als er über syrischem Luftraum von syrischen MiG-Jagdflugzeugen angegriffen wurde. Mit Müh und Not schaffte es der König zurück zum Heimatflughafen in Amman.
Dabei überlebte der Monarch durchaus nicht immer aus eigener Kraft. Großbritannien, die USA und auch Israel kamen ihm im Notfall auch mit militärischen Mitteln immer wieder zu Hilfe, wenn es die dem König bis aufs äußerste loyalen Beduinentruppen nicht mehr alleine schafften. Für London war Jordanien die letzte Bastion des einst glorreichen Empires in der Region Nahost, für Washington eine Frontlinie im Kampf gegen Kommunismus und um ungehinderte Ölströme. Und für Israel war Hussein ein moderater Herrscher, der sicherstellte, daß der jüdische Staat nicht vollkommen von feindlich gesinnten arabischen Staaten umzingelt ist.
Letztere trauten Hussein, trotz seiner Integration ins arabische Lager, nie über den Weg. Einer der Gründe übrigens, warum Ägypten und Syrien den haschemitischen Monarchen vor dem Yom-Kippur- Krieg 1973 nicht vollends in ihre Kriegsvorbereitungen einweihen wollten. Nicht zu Unrecht, wie es scheint. Laut Henry Kissinger gab Hussein der Nixon-Regierung bereits im Mai 1973 den Tip, daß es sich bei den ägyptischen und syrischen Militäraktivitäten um mehr als nur Manöver handelt. Hussein soll kurz vor dem ägyptisch-syrischen Angriff noch einmal Israel direkt vor den bevorstehenden Attacken gewarnt haben.
Das Verhältnis des jordanischen Königs zur PLO und zu Arafat war stets angespannt. Im Zentrum des Konfliktes stand die Frage, wer von beiden der legitime Vertreter der Palästinenser sei. Seit Husseins Großvater Abdallah durch einen geheimen Deal mit Golda Meir das Westjordanland zugesprochen bekommen hatte und bis zum Sechstagekrieg 1967, in dem Jordanien das gesamte Westjordanland an Israel verlor, gehörte das Gebiet zu Jordanien. Und auch später blieben die beiden Ufer des Jordans noch vielfach verbunden. Bewohner des Westufers etwa bevorzugten es immer, ihre Ersparnisse in jordanischen Dinar anzulegen oder wie es hieß: „Mit des Königs Kopf unter dem Kissen zu schlafen“.
Arafat und seine nach dem 67er Krieg gegründete PLO stellten nicht nur die israelische Besatzung, sondern auch den jordanischen Herrschaftsanspruch über das Westjordanland in Frage. Den Tiefpunkt erreichten beider Beziehungen mit dem schwarzen September 1970. Palästinensische Flüchtlinge erhoben sich gegen Hussein. Der sandte seine loyalen Beduinentruppen aus, um den Aufstand blutig niederzuschlagen und die PLO-Kämpfer aus dem Land zu vertreiben.
Wer allerdings im Namen der Palästinenser sprechen konnte, PLO-Chef Arafat oder König Hussein, war damit noch nicht ausgefochten. Hussein träumte von einer Konföderation zwischen dem Westjordanland und Jordanien. Im Sommer 1974 machte sich Hussein mit seinem Helikopter heimlich auf den Weg ins Arava-Tal, um dort mit dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin, dessen Außenminister Yigal Allon und dem damaligen Verteidigungsminister Schimon Peres seine Pläne zu besprechen – ohne Erfolg.
Im folgenden Herbst machte ihm ein arabisches Gipfeltreffen in Rabat endgültig einen Strich durch seine Rechnung. Die arabischen Staaten erklärten dort die PLO zur „alleinigen legitimen Vertreterin des palästinensischen Volkes“. Hussein akzeptierte zähneknirschend.
So kam es schließlich, daß der König bei den Madrider Friedensverhandlungen im Oktober 1991 nur im Namen der Jordanier verhandeln konnte. Bei den Osloer Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern, zwei Jahre später, wurde er vollkommen ausgespart. Ihm stand lediglich zu, 1994 das im eigenen Land unpopuläre jordanisch-israelische Friedensabkommen zu unterzeichnen. Seitdem spielte der jordanische Monarch im vermeintlichen Nahost-Friedensprozeß nur noch die Rolle des „Elder Statesman“.
Nachdem er fast ein halbes Jahrhundert die Geschicke des Nahen Ostens maßgeblich mitbestimmt hatte, wurde Hussein Mitte letzten Jahres mit Lymphkrebs in das Mayo-Krankenhaus in Rochester, Minnesota eingeliefert. Zweimal kehrte der 63jährige zurück ins haschemitische Königreich. Einmal im Januar dieses Jahres, um als eine Art letzten Willens die Thronfolge neu zu regeln und anstelle seines Bruders Hassan seinen Sohn Abdallah als seinen Nachfolger einzusetzen. Und das zweite Mal, um zu sterben.
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