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Film ab: Ganz Berlin wird Traumfabrik

■ Filmbericht des Senats sieht Medienstandort im Aufwind. Dreharbeiten werden erleichtert. Rund 100.000 Beschäftigte arbeiten in der Filmbranche. 750 Millionen Mark Umsatz im Jahr 1998. Defizite bleiben

Berlin goes Hollywood. Pünktlich zum Start der Berlinale hat gestern der Senat beschlossen, die Produktionsbedingungen für Filmgesellschaften erheblich zu erleichtern. So ist geplant, Filmaufnahmen künftig auf allen Straßen, öffentlichen Grundstücken und Liegenschaften zu erlauben. Die kostenintensive „Sondernutzung“ etwa bei Actionszenen oder Autocrashs soll zugunsten einer einfachen „straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis“ entfallen. Einschränkungen soll es nur „bei zwingenden Gründen“ – etwa der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit – geben. Schließlich können Produzenten Drehgenehmigungen bei einer zentralen Stelle erwerben. Immer neue Gänge durch die Bezirksverwaltungen und über bürokratische Hürden gehörten dadurch der Vergangenheit an.

Hintergrund des Vorstoßes ist, den Medienstandort Berlin/Brandenburg „noch attraktiver“ zu machen. Nach Angaben von Senatssprecher Michael-Andreas Butz bilde der Film- und Fernsehmarkt für das Land „eine Wachstumsbranche“ par excellence, die weiter gestärkt werden müsse. Derzeit, sagte Butz, seien in der Stadt rund 100.000 Menschen in der Medienindustrie tätig, davon allein bei Filmproduktionen rund 10.000 Beschäftigte. Die wirtschaftliche Bedeutung ergebe sich auch durch den Umsatz von 750 Millionen Mark bei Filmarbeiten 1998. 1994 seien dies erst 350 Millionen Mark, 1995 noch 570 Millionen gewesen, erklärte Butz.

Bei dem anhaltenden Trend, betonte der Senatssprecher, könne die Filmbranche das verarbeitende Gewerbe in Berlin „erreichen oder gar überflügeln“. Wichtig für den Senatsbeschluß sei gewesen, daß immer mehr „gute Locations“ im Stadtgebiet, wie alte Fabrikhallen, Knäste, Flaniermeilen, Straßen, Museen oder Theater nachgefragt würden. Von etwa 20 täglichen Drehs im Jahr 1995 sei die Zahl auf heute 35 Aufnahmeorte gestiegen.

Während Butz einräumen mußte, daß es dem Land nicht gelungen sei, eine Filiale der Walt- Disney-Studios nach Berlin zu holen, fällt der Filmbericht des Senats bei der Förderung der Filmboard Berlin Brandenburg GmbH positiv aus. Die länderübergreifende Filmförderungsanstalt mit Sitz auf dem traditionsreichen Gelände in Babelsberg, die etwa „Lola rennt“ oder „Aimée & Jaguar“ gefördert hat, erhalte auch in diesem Jahr 25 Millionen Mark öffentliche Gelder. Weitere 9 Millionen Mark, so Filmboard-Intendant Klaus Keil, würden von privaten Fernsehanstalten zugeschossen.

Keil begrüßte die Erleichterungen. Sie seien für junge Filmemacher und Produzenten wichtig. Daß „schnell und einfach“ gedreht werden könne, sei eine wesentliche Voraussetzung, den Standort Berlin und die Region zu nutzen.

Defizite besitzt Berlin allerdings noch immer im Vergleich zu München oder Nordrhein-Westfalen. So werden in München die Filmemacher mit über 60 Millionen Mark aus öffentlichen Geldern gefördert.

Der Umsatz in der Branche liegt an der Isar bei über 900.000 Millionen Mark. Während Butz schon heute „gute Chancen sieht, München bald einzuholen“, gibt sich Keil vorsichtiger. Es habe seit 1994 zwar „erhebliche Verbesserungen“ für Filmleute gegeben. Dennoch müsse der Senat die Mittel weiter höhen. Rolf Lautenschläger

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