„Dafür gibt es keine Mehrheit“

■ Beim Reformprojekt Doppelpaß ist das SPD/FDP-regierte Rheinland-Pfalz jetzt im Bundesrat das Zünglein an der Waage. Der Mainzer Justizminister Caesar fordert von Rot-Grün in Bonn einzulenken

taz: Der Doppelpaß nach der Hessenwahl: Die SPD zweifelt am Entwurf der Koalition, die Grünen drohen mit Streit, falls es zu Abstrichen bei der Reform kommt. Haben Sie in Mainz die Lösung für die rot-grüne Krise in Bonn?

Peter Caesar (FDP): Die rheinlandpfälzische Landesregierung von SPD und FDP hat schon vor zwei Jahren den Vorschlag eines Optionsmodells gemacht. 1997 fand das die Zustimmung der SPD- Bundestagsfraktion und auch einige aus der Union hatten Sympathien dafür. Mein Ministerpräsident, Kurt Beck von der SPD, hat jetzt darauf hingewiesen, daß der Vorschlag noch auf dem Tisch liegt. Danach erhalten Kinder die doppelte Staatsangehörigkeit nur auf Zeit. Mit 23 oder 25 Jahren muß sich dann der einzelne zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und der des Heimatlandes entscheiden. Die jeweils andere fällt dann weg. Dieser Gedanke könnte SPD, CDU und FDP zusammenführen.

Als Sie und andere in der FDP diese Idee entwickelten, saß Rot- Grün in Bonn in der Opposition. Der grüne MdB Özdemir sagt, damals hätte seine Partei der Optionslösung zugestimmt. Jetzt sei Rot-Grün an der Macht und es gebe keinen Grund, warum sich die Koalition mit so einer kleinen Lösung zufriedengeben sollte.

Aber es gibt dafür weder gesellschaftlich noch politisch eine Mehrheit. Wenn die SPD hier nicht einlenkt, wird das für die Union bei den weiteren Wahlen in diesem Jahr ein Thema bleiben, was der SPD bitterlich ins Gesicht schlägt. Außerdem gehe ich davon aus, daß die Reform die Zustimmung des Bundesrates bekommen muß. Die sehe ich nach der Hessenwahl nicht.

Das heißt Rheinland-Pfalz, das jetzt im Bundesrat das Zünglein an der Waage ist, wird den Schily- Entwurf nicht mittragen?

Ich will das jetzt nicht vorwegnehmen. Als FDP-Politiker sage ich, ich tue mich mit dem Schily- Entwurf sehr schwer. Im übrigen gehe ich davon aus, daß der Schily- Entwurf Veränderungen erfahren wird und zwar schon in den Beratungen im Bundestag. Ich denke, die Lösung wird enger gefaßt werden. Aber was soll ich mir den Kopf von Rot-Grün zerbrechen?

Zu den inhaltlichen Einwänden gegen ein Optionsmodell: Für Ausländer bedeutet es eine ganz wesentliche psychologische Erleichterung, so das Argument, wenn sie bei einer Einbürgerung in Deutschland den Paß ihrer Heimat behalten dürfen. Das Optionsmodell zwingt sie hingegen zum Verzicht. Verliert die Reform damit nicht ihre Signalwirkung?

Nein, das hängt ganz davon ab, wie ich politisch mit dem Thema Ausländer umgehe. Ich halte den Schily-Entwurf aber nicht nur unter psychologischen Gesichtspunkten für problematisch. Ein Beispiel: Ein Deutsch-Türke mit beiden Staatsangehörigkeiten geht wieder zurück in die Türkei und wird dort vielfacher Vater. Diese Kinder sind dann zugleich auch Deutsche. Sie sprechen kein Wort Deutsch, sind nicht in Deutschland und haben keinerlei Bezug zu dem Land, dessen Staatsbürger sie sind.

Das gilt aber auch für den Siemens-Ingenieur, der in Rio arbeitet und mit seiner brasilianischen Frau Kinder kriegt.

Aber gerade bei diesen Siemens-Leuten ist ja eine erhebliche Verbindung mit dem deutschen Sprachraum gegeben. Die sind dann meist bei Goethe-Instituten und an deutschen Schulen.

Aber warum sollte das anders sein bei einem deutschen Türken, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist?

Ich sehe, daß der Türke, der dann wieder dort ist, ganz Türke ist. Die Kinder, die dort gezeugt werden, haben dann einen deutschen Paß, aber das ist das Einzige, was sie mit deutschen Kindern gemeinsam haben.

Es gibt auch verfassungsrechtliche Einwände. Betroffene könnten sich einfach weigern, mit Anfang 20 einen der beiden Pässe abzugeben. Ihnen den deutschen Paß gegen ihren Willen wegzunehmen, erlaube das Grundgesetz nicht.

Das haben wir in Rheinland- Pfalz prüfen lassen. Das Ergebnis: Der entsprechende Passus im Grundgesetz bezieht sich auf Fälle wie im Dritten Reich, wo der Staat ganze Gruppen aussortieren wollte. Beim Optionsmodell ist hingegen von vornherein durch Gesetz geregelt: Du mußt Dich entscheiden. Die Staatsbürgerschaft wird also niemandem entzogen, wer möchte, kann sie ja behalten. Das Optionsmodell ist verfassungsgemäß. Daß Gerhard Schröder, dieses Bollwerk der Verfassung, sich in der letzten Woche anders geäußert hat, hat mich martialisch geärgert.

Das Optionsmodell hat nur deswegen nochmal Konjunktur bekommen, weil die CDU-Unterschriftenaktion soviel Zulauf bekommen hat und manche in der SPD sagen, die Reform sei nicht vermittelbar. Warum sollte denn Ihre „kleine Lösung“ besser vermittelbar sein?

Darauf kann ich nur mit Hinweis auf all die Umfragen antworten, bei der Hessen-Wahl und deutschlandweit. Das Optionsmodell hat bei der Bevölkerung eine Mehrheit, der Schily-Entwurf mit der Idee des generellen Doppelpasses nicht.

Für Rot-Grün bedeutet das, sich dem Druck der CDU-Unterschriftenaktion zu beugen: Erleichterte Einbürgerung, aber ohne generelle Hinnahme des Doppelpasses.

Nein, die Union hat sich in der ganzen vergangenen Legislaturperiode jeglicher Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts widersetzt. Es muß sich also die Union ändern, wo etwa Herr Rühe oder Frau Merkel bereits der Optionslösung zuneigen. Wenn ich aber die Unterschriftenkampagne der CDU unsäglich finde, finde ich es von den Grünen genauso unsäglich, wenn sie sagen, es gibt keinerlei Veranlassung, über irgendwelche Veränderungen nachzudenken – wie es die Vorstandssprecherin Frau Radcke jeden Tag über den Bildschirm zaubert.

Aber Sie rechnen damit, daß Ihrem Optionsmodell auch die CDU zustimmen könnte?

Rechnen ist zuviel gesagt. Ich halte es für möglich.

CDU, FDP, SPD, Grüne – alle stimmen zu. Da kann Ihr Vorschlag eigentlich nur eine Minimallösung sein.

Das ist eine Frage des Standpunkts. Es gibt ja ganz viele Veränderungen in diesem Bereich, etwa beim Wahlrecht für EU-Ausländer. Auch das Blutsrecht bei der Staatsangehörigkeit ist überholt. Das alles sind ja Öffnungen, die richtig und notwendig sind, nur muß man sie behutsam machen, damit sie von der Bevölkerung mitgetragen werden. Da darf man jetzt nicht den Deckel draufsetzen. Interview: Patrik Schwarz