: Fallstricke im Denkmaldschungel
■ Zwei Bäume als Politikum: Humboldt-Uni streitet mit Bezirk Mitte um Denkmäler und Wurzelwerk. Helmholtz und Mommsen wanken auch
Wilhelm und Alexander von Humboldt können die Frage nicht mehr selbst entscheiden. Müssen die Bäume weichen, die ihre Denkmäler beschatten? Gefährdet das Wurzelwerk die Fundamente jener Zäune, die den Ehrenhof der Humboldt-Universität von der Straße Unter den Linden scheiden? Oder gehören die Gebäude zum schützenswerten „Forum Fridericianum“, das der Preußenkönig im 18. Jahrhundert rund um den heutigen Bebelplatz errichten ließ?
Der Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl (PDS), hat jetzt zugunsten der beiden Bäume entschieden und den Antrag der Humboldt-Universität auf eine „Fällgenehmigung“ zurückgewiesen. Die Kastanie wie die Platane, so Flierl gestern, prägten „das unter Denkmalschutz stehende Erscheinungsbild der Humboldt- Universität“. Die Diskussion über das künftige Aussehen der Freiflächen rings um das Hochschulgebäude sei noch nicht abgeschlossen, es gelte also, „einem Vorgriff vorzubauen“.
Zum Politikum werden die Bäume vor allem, weil sie nicht nur durch ihr Wurzelwerk mit den Denkmälern eng verbunden sind. Zwar stehen die beiden Humboldts unverrückbar fest. Doch erhitzen sich die Gemüter an drei weiteren Monumenten, die das Stadtplanungsbüro „Topos“ in seinem „Freiflächenkonzept“ für die Humboldt-Universität verschoben hatte. So sähen die Planer den Physiker Helmholtz, der seit 1994 mitten vor dem Haupteingang steht, lieber seitlich an der Universitätsstraße. Den Historiker Theoder Mommsen, bisher hinter dem Denkmal für Wilhelm von Humboldt versteckt, würden sie gerne prominenter an der Stirnseite des Innenhofs plazieren. Und wenn die Cafeteria im Seitenflügel einem neuen Eingang weicht, dann soll der Chemiker Eilhardt Mitscherlich ein Stück zur Seite rücken.
Fast scheint es, als nähmen sich die Kontrahenten die verfahrenen Denkmalsdebatten ringsum zum zweifelhaften Vorbild. Da sind die fünf Generäle der Befreiungskriege, vom Bildhauer Rauch in Marmor gemeißelt und in Bronze gegossen, die manch ein Preußenfreund lieber prominenter plaziert sähe. Doch bislang verhindern die Kollwitz-Erben, daß die Feldherren Bülow und Scharnhorst die Neue Wache samt Pieta in ihre Mitte nehmen. Da ist weiter die Heine-Büste, die der Dienstleister und Kulturverkäufer Peter Dussmann im Kastanienwäldchen dahinter plazieren möchte. Unumstritten im ganzen Denkmaldschungel scheint derzeit nur zu sein, daß der runderneuerte alte Fritz zu Pferde wieder direkt an die Einmündung der Universitätsstraße zurückfindet.
Baustadtrat Flierl befürchtet, daß die ganze Rochade am Ende dazu führt, die „Linden“ getreu dem alten Gärtner-Gemälde wiederherzustellen – und alle DDR- Relikte zu eliminieren. Davon aber könne keine Rede sein, beteuert der Vizechef des Landesdenkmalamts, Klaus von Krosigk. Vielmehr laufe das „Topos“-Konzept, im Auftrag des Landesdenkmalamts erstellt, darauf hinaus, „die verschiedenen Schichten“ der historischen Flächengestaltung sichtbar zu machen.
Im Innenhof bleibe die DDR- Gestaltung der fünfziger und sechziger Jahre samt Denkmal für die Opfer des Faschismus weitgehend erhalten, die Vorgärten zu beiden Seiten gemahnten an den ursprünglichen Zustand nach dem Anbau der beiden Nordflügel unter dem Stadtbaurat Hoffmann um 1910. Daß der Ehrenhof auf der Lindenseite nach der Entfernung des Helmholtz-Denkmals so aussähe wie in den dreißiger Jahren, findet Krosigk nicht problematisch. Schließlich handele es sich bei dem Pflaster, das sich am Schlüterhof des Stadtschlosses orientiere, nicht um einen spezifisch nationalsozialistischen Entwurf.
Die beiden Humboldts, soviel steht fest, bleiben an ihrem Platz. Wie lange das Wurzelwerk der beiden Bäume noch an ihren Fundamenten nagen darf, ist dagegen ungewiß. Ralph Bollmann
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