: Schröder fürchtet Arbeitskampf
■ Der Kanzler appelliert in einem Brief direkt an die Tarifparteien der Metallindustrie, zu moderaten Abschlüssen zu kommen. Die IG Metall berät am Sonntag über die Urabstimmung
Bonn/Stuttgart (dpa) – Mit einem ungewöhnlichen und eindringlichen Appell an die Metall- Tarifpartner hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor einem Streik in diesem Industriezweig gewarnt. „Setzt euch zusammen und einigt euch auf ein volkswirtschaftlich vertretbares Ergebnis“, rief der Kanzler Arbeitgebern und Gewerkschaft am Freitag in Stuttgart zu – zwei Tage vor der Entscheidung des Frankfurter IG- Metall-Vorstands über Urabstimmungen für einen Arbeitskampf. In einem Brief an IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und Gesamtmetall- Präsident Werner Stumpfe warnte der Kanzler zugleich die Tarifparteien vor einer Zuspitzung des Konflikts. In dem Schreiben heißt es: „Ich halte die staatsfreie Tarifautonomie mit den daraus abgeleiteten Rechten und Pflichten für ein hohes und schützenswertes Gut. Dennoch kann ich mich als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland nicht damit abfinden, daß im wichtigsten Industriezweig unseres Landes ein Arbeitskampf stattfindet, zumal die weitere konjunkturelle Entwicklung mich mit zunehmender Sorge erfüllt.“
Stumpfe sicherte Schröder inzwischen in einem Antwortbrief zu, die Arbeitgeber würden ohne Vorbedingungen in die vorgeschlagenen Schlichtungsgespräche gehen. In den Tarifgesprächen für die bundesweit 3,5 Millionen Metaller hatten die Arbeitgeber der IG Metall am Vortag überraschend eine Schnell-Schlichtung vorgeschlagen, um den drohenden Streik noch abzuwenden. Der IG- Metall-Vorstand will am Sonntag in Frankfurt/Main über sein weiteres Vorgehen und den Schlichtungsvorschlag beraten. Die Tarifkommissionen der Gewerkschaft haben in mittlerweile sieben Bezirken die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt und beim Vorstand Urabstimmungen beantragt. Beobachter erwarten, daß beide Seiten noch vor einem möglichen Streikbeginn Anfang März versuchen werden, zu einer Lösung zu kommen.
Bisher bieten die Arbeitgeber eine Grundlohnerhöhung von 2,3 Prozent und eine ertragsabhängige Einmalzahlung von bis zu 0,5 Prozent eines Jahreslohns an. Die IG Metall ist mit einer Forderung nach 6,5 Prozent höheren Löhnen in die Tarifrunde gegangen.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, warnte die Arbeitgeber, Schlichtungsverhandlungen nur aus „taktischen Gründen“ anzubieten. Noch gebe es eine Chance, zu einer Einigung zu kommen. „Aber dafür müssen die Arbeitgeber sich bewegen.“
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