: Trüpel führt Grüne an
■ Helmut Zachau zweiter Spitzenkandidat. Bürger-schaftsabgeordnete Martin Thomas, Arendt Hindriksen und Klaus Möhle fielen durch. Denkzettel für Mützelburg
Der Ärger über den voreiligen Landesvorstand war schnell verraucht. Noch zu Beginn des Parteitages der Grünen am Samstag machten einige Mitglieder ihrem Ärger Luft. „Das geht nicht“, empörte sich Boris Oberheitmann vom Kreisverband Ost. Hinter verschlossenen Türen hatte der Landesvorstand sich zwölf Kandidaten für die Bürgerschaftliste ausgedacht – die Mitglieder und Kandidaten erfuhren erst aus der Zeitung davon. Doch Oberheitmanns Vorschlag, „die Liste abzulehnen“, verhallte ungehört. Mit einer Ausnahme wählten die Mitglieder genau so, wie Hucky Heck und Kathrin Kummerow vom Landesvorstand es sich vorgestellt hatten. Nur die Reihenfolge brachten die Mitglieder dem Vorstand durcheinander.
Nummer eins bleibt Helga Trüpel. 97 Mitglieder gaben der ehemaligen Senatorin ihre Stimme. 39 stimmten mit Nein. Die Spitzenkandidatin nahm's gelassen: „Wir halten nichts von Honecker-Ergebnissen. Es gehört zu einer lebendigen Fraktion, daß es auch Nein-Sager gibt.“ Die Nein-Sager hatten kurz zuvor Karoline Linnert als Gegenkandidatin vorgeschlagen. Linnert lehnte ab. „Helga ist die beste Spitzenkandidatin.“ Doch Linnert („ich gehöre keinem Flügel an, und das gerne“) fuhr das beste Ergebnis ein. Von 154 Stimmen stimmten 132 für die Sozialpolitikerin auf Platz drei.
Die erste Überraschung gab es beim zweiten Platz, den der Landesvorstand für Hermann Kuhn reserviert hatte. Helmut Zachau und Dieter Mützelburg traten gegen ihn an. Zachau, der die Grünen gebeten hatte, mit ihm auch die Bildungspolitik auf Platz zwei zu setzen, machte mit 81 Stimmen das Rennen. Kuhn bekam 48 Stimmen, Mützelburg nur 24. Auch seinen ehemals vierten Platz konnte Mützelburg nicht halten. Kuhn bekam dort 96 Stimmen. Mützelburg mußte mit 44 Stimmen eine herbe Niederlage einstecken. Sichtlich verärgert kandidierte er für Platz sechs. „Wenn ihr mich jetzt nicht wählt, ist das ein klares Votum gegen meine Person, und ich werde nicht weitermachen“, drohte er. Mit Erfolg. Nach einer Stichwahl mit Arendt Hindriksen (64 Stimmen) bekam Mützelburg mit 84 Stimmen Platz sechs.
Auf Platz fünf setzte sich Karin Mathes durch. Ihr Schwerpunkt: Ökologie. Der Landesvorstand hatte ihr keinen Platz auf der Bürgerschaftsliste zugedacht, was bei den Schwachhausenern für Unmut gesorgt hatte. Bettina Dannheim, die Wunschkandidatin des Landesvorstandes, gab eine blaße Vorstellung und hatte keine Chance. Peinlich, aber offenbar wirkungsvoll, war dagegen der Auftritt von Anja Stahmann. „Heute war ein Foto von mir in der taz. Ich bin in erster Linie mein eigener Fan.“ Nachdem sie gegen Karin Mathes verloren hatte, wurde sie auf Platz sieben gewählt. Der Landesvorstand hätte hier gern Andrea Frohmader gesehen. Doch die Bundesverdienstkreuzträgerin gab sich bescheiden und erwähnte ihr preisgekröntes Engagement für Bosnien nur am Rande. Auch im Rennen um Platz neun unterlag sie gegen Karin Krusche, die eine flammende Rede gegen den Flächenfraß der großen Koalition hielt. Erst als „Gründungsmutter“ Christine Bernbacher ans Mikrophon trat und Frohmader als ihre Nachfolgerin empfahl, wurde sie auf Platz elf gewählt. Lisa Wargalla verlor und landete schließlich auf Platz 13.
Bei den Herren zeichnete sich unterdessen ein Drama ab. Arendt Hindriksen und Klaus Möhle wollten unbedingt in der Bürgerschaft bleiben. „Ich habe mich intensiv eingearbeitet und maßgeblich das Bild von einer Menschenrechtspolitik der Grünen geprägt“, sagte Hindriksen bei seiner Kandidatur um Platz sechs. „So nervös war ich schon lange nicht mehr, das ist wie Zeugnisse kriegen“, sagte Möhle. Er halte nichts „von einer Erneuerung der Erneuerer“. Beide Abgeordnete sitzen erst seit dieser Legislaturperiode in der Bürgerschaft und sind umstritten. Bei der Kandidatur um Platz acht wiederholte Hindriksen erneut, wie wichtig ihm „engagierte Menschenrechtspolitik sei“. Möhles kurze Rede: „Auf der Liste stehen nur Akademiker. Ich bin gelernter Handwerker.“ Das Rennen machte Matthias Güldner („ich weiß, wie man Anträge schreibt“). Güldner arbeitet seit 1995 bei Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) und war früher Trüpels Referatsleiter für Migration und Ausländerintegration. Hindriksen kandidierte für Platz zehn: „Ich sag' nochmal, wie wichtig Menschenrechtspolitik ist.“ Möhle: „Vorgestellt habe ich mich genug, ihr müßt mich nur noch wählen.“ Auch Martin Thomas traute sich jetzt. Vorher hatte er lange mit Alt-Bürgermeister Ralf Fücks geredet. Man müsse der Polizei gegenüber Farbe bekennen, sagte Thomas. Deshalb sei er der Polizei-Gewerkschaft beigetreten. Sie habe sich von ihm als Innenpolitiker eine schärfere Linie gegenüber dem Hardliner Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) gewünscht, hielt ihm eine Grüne vor. Thomas fiel durch und gab auf.
Platz zehn ging an Jörg Hutter. „Naturbedingt“ sei er ledig, sagte der promovierte Soziologe. Früher habe er sich nur für Schwule engagiert. Inzwischen habe er gemerkt, daß es unter den Schwulen Ausländerfeinde gebe. Und auch türkische Jugendliche würden „Schwule klatschen“.
Möhle und Hindriksen kandidierten für Platz 12. Möhle: „Wenn ihr mich jetzt nicht wählt, gehe ich.“ Hindriksen: „Wenn ihr mich haben wollt, müßt ihr mich jetzt wählen.“ Gewählt wurde der 21jährige Jugendpolitiker Björn Fecker. Möhle und Hindriksen kandidierten für Platz 14. Möhle hielt die taz hoch. „Mach's noch einmal Bill, steht hier in der Überschrift. Davon habe ich mich inspirieren lassen.“ Hindriksen: „Auch auf Nachrücker-Plätzen müssen erfahrene Leute sitzen.“ Hindriksen bekam Platz 14. Möhle trat nochmal an und landete auf Platz 16. Sein Kommentar: „Wir müssen jetzt halt nur einen stärkeren Wahlkampf machen, damit ich auch noch reinkomme.“
K. Schneider (siehe auch S. 6)
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