piwik no script img

Senatsbericht: Bezirkskultur kollabiert

■ Obwohl die bezirkliche Kulturarbeit vor dem finanziellen Ruin steht, lehnt Kultursenator Radunski gesetzliche Neuregelungen ab

Der bezirklichen Kulturarbeit steht das Wasser bis zum Hals. Kommunale Ausstellungen können kaum noch mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, Musikschulen oder Volkshochschulen stehen vor der Schließung. Das Personal wird abgebaut. Und Besserung ist nicht in Sicht. Nach dem Bericht des Senats über die bezirkliche Kulturarbeit, der gestern im Ausschuß für Kultur beraten wurde, ist der Zustand deshalb so „erschreckend“, da die Bezirke die ohnehin beschränkten Mittel ihrer Globalhaushalte häufig in andere Projekte stecken müssen. Die Unterstützung kultureller Aktivitäten bleibt somit vielfach außen vor, da diese nicht zu den „kommunalen Pflichtaufgaben“ zählen. Hinzu kommt, daß die Haushaltssperren den Bezirken immer weniger die Möglichkeit lassen, Gelder an ihre Kunstämter zu verteilen.

So steht etwa das Kulturamt Wedding mangels Geld für Sach- und Personalleistungen fast vor der Auflösung, wie der Bericht konstatiert. Ebenso dramatisch geht es im Kulturamt Tempelhof zu, das gerade noch eineinhalb Stellen für die kommunale Kunst- und Kulturszene zur Verfügung hat. Nicht viel besser stehen die Bezirke Tiergarten oder Neukölln da. Insgesamt, sagte Dieter Klein, kulturpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus, habe es zwischen 1993 und 1998 in insgesamt 19 von 23 Bezirken eine 30prozentige Absenkung der Mittelzuweisung gegeben. Klein: „Unter diesen Bedingungen ist Kulturarbeit nicht mehr möglich. Eine vernünftige Arbeit und kulturelle Aktivitäten können nicht mehr stattfinden.“

Während die Fraktionen Bündnis 90 / Grüne sowie die PDS auf eine gesetzliche Regelung der Finanzausstattung bezirklicher Kulturarbeit drängen, lehnte Radunski dies gestern ab. Es sei durch den Bericht zwar offensichtlich, daß die kulturelle Arbeit in den Bezirken „vor großen Problemen“ stehe und man in Zukunft über „neue Formen“ der Unterstützung nachdenken müsse. Dennoch sei es politisch derzeit nicht machbar, die den Bezirken gegebene Autonomie bei der Verteilung ihrer Mittel zu revidieren.

Nach Ansicht Radunskis müsse abgewartet werden, wie sich die Kulturarbeit nach dem Neuzuschnitt der Bezirke im Jahr 2001 darstelle. „Wir befinden uns in einem transitorischen Zustand“. Danach könnte über eine „andere Kooperation“ zwischen dem Land und den Bezirken nachgedacht werden. Kritik mußte sich Radunski von Jörn Jensen, bündnisgrüner Bürgermeister von Tiergarten, gefallen lassen. Die Situation in den Bezirken sei „hochdramatisch“. Nach einer Prognose der Bezirksbürgermeister seien für die „Mehrzahl der Bezirke“ keine Mittel für die kulturelle Arbeit im Jahr 2000 vorhanden. Jensen sprach sich gegen eine „zweckgebundene“ gesetzliche Regelung aus. Vielmehr müsse es eine Minimalausstattung geben, die zugleich den Bezirken die freie Verwendung der Mittel für die Kulturarbeit erlaube. Rolf Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen