: „Den Riegel zur Seite schieben“
■ Martin Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der GAL, über den Bau der Flughafen-S-Bahn
taz: Wieso hat die GAL ihren Widerstand gegen die S-Bahn zum Flughafen Fuhlsbüttel aufgegeben und kann sich nun vorstellen, erst die S-Bahn und danach die Stadtbahn zu bauen?
Martin Schmidt: In unserem Koalitionsvertrag ist eine Pattsituation beschrieben: Solange der städtische Betriebshaushalt nicht ausgeglichen ist, soll es weder Flughafen-S- noch Straßenbahn geben. Gleichzeitig sollen die Planungen für die Stadtbahn vorangetrieben werden, um den Vorsprung der S-Bahn-Pläne aufzuholen. Jetzt hat sich aber herausgestellt, daß das Planfeststellungsverfahren für die Straßenbahn bis 2001 nicht abgeschlossen werden kann und der Vorsprung der S-Bahn bis zum Ende der Legislaturperiode nicht einzuholen ist. Je länger das Patt aber anhält, desto größer ist das Risiko, daß allein die S-Bahn kommt. Anders gesagt: Wir erhöhen die Wahrscheinlichkeit für die Einführung der Straßenbahn, wenn wir vorher die S-Bahn bauen lassen.
Warum das?
Weil es sein könnte, daß pro S-Bahn entschieden wird, wenn wir erst 2002 einen Entschluß fassen. Die S-Bahn hat viele Freunde, und eine bessere Anbindung des Flughafens an das öffentliche Verkehrsnetz ist dringend notwendig. Man muß deshalb das Entweder-Oder auflösen. Außerdem erfahren wir derzeit, daß es schwer ist, mit dem Hinweis auf etwas Gutes in der Zukunft etwas nicht Schlechtes in der Gegenwart zu verhindern.
Wer sagt Ihnen, daß die Stadtbahn tatsächlich gebaut wird, wenn die S-Bahn fertig ist?
Erstens weiß ich, daß in der SPD genügend Leute die Stadtbahn ebenso wollen wie wir. Zweitens wäre die S-Bahn zum Flughafen nur ein kleiner Teil des ÖPNV-Netzes. Wer einen attraktiven Personennahverkehr in Hamburg will, der muß die moderne Stadtbahn einführen.
Wie wollen Sie das bezahlen?
Der Anteil Hamburgs an der S-Bahn-Anbindung des Flughafens beträgt rund 160 Millionen Mark; der Rest kommt vom Bund. 30 Millionen hat Hamburg bereits für einen Bahnhof und die ersten Pläne bezahlt – bleiben 130 Millionen übrig. Verteilt auf die nächsten drei Jahre macht das gut 40 Millionen pro Jahr.
Eine Menge Geld angesichts des Haushaltslochs.
Es ist die Frage, ob man so eine Investition riskieren will, obwohl der Haushalt noch nicht ausgeglichen ist. Diese Entscheidung möchte ich nicht treffen, das ist eine Angelegenheit des gesamten Senats. Ich halte es bloß für möglich.
Demnach wären Sie bereit, vom Koalitionsvertrag abzurücken?
Wenn sich beide Partner einig sind, kann der Koalitionsvertrag geändert werden.
Also wird der erste Spatenstich für die S-Bahn möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode getan?
Es steht den Koalitionspartnern frei, den Riegel „Keine ÖPNV-Investition ohne ausgeglichenen Betriebshaushalt“ zur Seite zu schieben.
Fragen: Gernot Knödler/
Foto: Markus Scholz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen