: Horrorshow im eigenen Bett
Selbst im persönlichsten Rückzugsbereich per se, dem eigenen Bett, lauern Umweltgifte zuhauf. Ein Patentrezept für den bewußten Matratzenkauf gibt es nicht ■ Von Volker Wartmann
Arsen, Formaldehyd und das Nervengift Schwefelkohlenstoff: Manchmal lauern im Bett mehr Übel, als man denkt. So können vermeintlich unerklärliche Atembeschwerden oder Kopfschmerzen durch Schadstoffausdünstungen der Matratze hervorgerufen werden, auf der man tagtäglich liegt. Nicht selten verschwinden solche Beschwerden nach dem Kauf einer neuen Schlafunterlage.
Testergebnisse sind nicht einheitlich
Der Kauf einer „gesunden“ Matratzen ist jedoch nicht so einfach, wie man denkt. „Beim Matratzenkauf gibt es große Unwägbarkeiten, was die möglicherweise darin enthaltenen Schadstoffe betrifft“, sagt Peter Dirk, Wohnberater bei der Verbraucherzentrale Berlin. „Selbst bei hochpreisigen Produkten hat man keine Garantie auf Schadstofffreiheit.“
Wer sich vor dem Matratzenkauf kundig machen möchte und diverse Testberichte der letzten Jahre studiert, ist hinterher nicht immer schlauer als vorher. Während die Stiftung Warentest den Großteil der getesteten Federkern- und Latexmatratzen mit „gut“ beurteilt, kommt die Zeitschrift Ökotest nur in Ausnahmefällen zu dem Prüfergebnis „empfehlenswert“.
Bei den Tests werden unterschiedliche Prüfkriterien angelegt. Die Stiftung Warentest gewichtet die Liegeeigenschaften am stärksten, Ökotest untersucht die Matratzen hauptsächlich unter ökologischen Gesichtspunkten. Dennoch ist auffällig, daß bei der Stiftung Warentest die meisten getesteten Matratzen in punkto Umwelteigenschaften, worunter die „Abgabe von Schadstoffen“ und „Recyclingfreundlichkeit“ fällt, mit „gut“ bewertet werden.
Ökotest dagegen kommt in dieser Hinsicht auf beunruhigendere Ergebnisse. In einer großangelegten Untersuchung hat Ökotest 1996 19 verschiedene Latex- und Federkernmatratzen von fünf Labors auf Schadstoffe prüfen lassen. Das Ergebnis ist verheerend. Die Liste der nachgewiesenen Chemikalien reichte von A wie Arsen bis Z wie Zink. Neben dem krebsverdächtigen Mottenschutzmittel Naphthalin und dem Nervengift Schwefelkohlenstoff wurde auch Formaldehyd in den Bezügen und Polstern gefunden. In einigen Matratzen fand sich jede Menge Kleber und in fast allen umweltbelastende Kunststoffe. Keine einzige Schlafunterlage in diesem Test erhielt erhielt das Ökotest-Prüfsiegel „empfehlenswert“. Fast zwei Drittel aller Matratzen wurden mit „weniger“ oder „nicht empfehlenswert“ beurteilt. „Die gefundenen Schadstoff-Rückstände könnten ohne weiteres drastisch reduziert werden“, urteilt Ökotest. „Die meisten Belastungen sind sogar ganz vermeidbar.“
Bei einem Test ausschließlich von Latexmatratzen 1995 erhielten immerhin vier ein „empfehlenswert“. Qualität hat ihren Preis. Jede der „empfehlenswerten“ Einpersonenmatratzen der Firmen Dormiente, Origo, Baumberger Schlafkomfort und Prolana kostet über 1.000 Mark. Wenn man seinen Nachwuchs gesund betten will, ist das auch nach den strengen Ökotest-Kriterien ruhigen Gewissens möglich. An 4 von 22 getesteten Kindermatratzen fanden die Prüfer „keinerlei Mängel“. Die uneingeschränkt „empfehlenswerten“ Kindermatratzen sind Produkte der Firmen Traum Station, Baumberger Schlafkomfort, Prolana und MacBett. Diese Modelle kosten etwa zwischen 150 und 300 Mark. Neun der getesteten Schlafunterlagen für Kinder beurteilt Ökotest als „weniger“ oder „nicht empfehlenswert“. Für Kindermatratzen eignen sich Naturmaterialien wie hochwertiges Kokos und Roßhaar sehr gut. Kinder sind so leicht, daß die Naturfasern lange elastisch bleiben und nicht zusammengedrückt werden.
Vielzahl der Label verwirrt die Kunden
Das Wirrwarr zahlreicher Label macht den Kauf einer „gesunden“ Matratze nicht leichter. Geprüft nach QUL-Kriterien: „Latexmatratzenhersteller, die mit diesem Satz werben dürfen, können ruhigen Gewissens in die enge Wahl gezogen werden“, so Wohnberater Dirk. „Das Zertifikat erhalten die Schlafunterlagen erst nach einer strengen Schadstoffprüfung, die weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht.“ Hinter dem Kürzel QUL verbirgt sich der Qualitätsverband Umweltverträgliche Latexmatratzen, in dem Rohstofflieferanten, Hersteller, Händler und Labors zusammengeschlossen sind. Der QUL hat die ökologischen Prüfkriterien entwickelt, vergeben wird das Zertifikat von unabhängigen Prüfinstituten wie etwa dem Eco-Institut in Köln.
Bemerkenswert ist auch das „Fair Cotton Organic“-Logo, das von dem Projekt „BioRe“ vergeben wird. BioRe-Projekte stehen unter Kontrolle durch das Schweizer Institut für Marktökologie. Bei Matratzen mit diesem Label ist garantiert, daß die Baumwolle für die Bezüge nicht nur biodynamisch angebaut, sondern darüber hinaus fair gehandelt wird. „Mit dieser Entwicklung wird der ökologische Gedanke, nur streng schadstoffkontrollierte Produkte zu vertreiben, konsequent weiterentwickelt“, sagt Dirk Pfeiffer, Geschäftsführer von MacBett, Produzent des Ökotest-Siegers bei den Kindermatratzen.
Problematisch ist das Recycling von Matratzen. Derzeit gibt es in Deutschland keine Firma, die diese Dienstleistung anbietet. In der Regel landen ausgediente Matratzen auf dem Müll. Nur wenige Firmen nehmen alte Matratzen zurück. Pfeiffer: „Gute Matratzen aus Naturlatex und anderen natürlichen Materialien können zerschreddert und dann kompostiert werden.“
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