„Miloešević geht es nur um seine Herrschaft“

■ Belgrads Exbürgermeister Nebosja Čović über Miloševićs Strategie und Folgen von Nato-Angriffen

taz: Die Deadline für das Kosovo-Abkommen in Rambouillet ist auf Dienstag 15 Uhr verschoben worden. Was wird geschehen?

Nebosja Čović: Milošević hat es mit seiner unnachgiebigen Haltung tatsächlich geschafft, Streit innerhalb der Kontaktgruppe zu entfachen und Zeit zu gewinnen. Ich glaube, daß ihm die internationale Gemeinschaft entgegen dem Wunsch der USA entgegenkomamen wird, daß anstatt der Nato irgendeine Variante von UN-Truppen im Kosovo stationiert wird. So könnte sich Milošević der serbischen Öffentlichkeit als der große Sieger und Friedensfaktor auf dem Balkan präsentieren. Und er würde behaupten, die mächtige Nato habe es trotz aller Drohungen nicht gewagt, Serbien anzugreifen. So wird seine politische Existenz wieder verlängert.

Und wenn es doch noch zu Luftangriffen kommt?

Auch das würde Miloševićs Position stärken. Niemand sieht es gerne, wenn die Souveränität seines Landes attackiert wird. Die Reihen würden sich um den Führer schließen. Dabei interessiert Milošević weder die Souveränität Jugoslawiens noch der Kosovo, ihm geht es nur um seine Herrschaft. Nach einem eventuellen Luftangriff der Nato steht zu befürchten, daß in Serbien eine Hetzjagd auf sogenannte einheimische Verräter beginnt. Das heißt auf alle, die Milošević und seine kriminelle Oligarchie kritisieren und die erkannt haben, daß seine Politik Serbien seit elf Jahren ins Verderben führt.

Ist Belgrad überhaupt auf einen Luftangriff vorbereitet?

Nein, weder Belgrad noch andere Großstädte in Serbien. Außerdem machen sich die meisten Bürger keine Gedanken darüber. Sie haben schlicht Angst. Angst ist die Stütze der Politik Miloševićs, er schürt sie mit voller Absicht: Angst vor einem Krieg mit der Nato, vor einem Bürgerkrieg, vor dem Zerfall des Staates. Durch Angst manipuliert Milošević sein Volk. Man sagt sich, zwar lebt man elend, doch alles ist besser als Krieg, und Milošević habe Serbien immer vor einem Krieg bewahrt. Und so bleibt er uns erhalten.

Die jugoslawische Militärspitze scheint ganz von den Verhandlungen ausgeschlossen zu sein?

Der im Westen angesehene Generalstabschef Momcilo Perisić ist beseitigt worden, die Armee wird jetzt überhaupt nicht gefragt. Milošević hat ohnehin alle staatlichen Institutionen seiner Alleinherrschaft unterstellt, Bundes- und Landesparlament, das Rechtswesen, die Staatssicherheit. Einsam an der Spitze trifft alle Entscheidungen das Ehepaar Milošević- Marković. Interview: Andrej Ivanji