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Das Krokodil im Kanzleramt

Bodo Hombach, Kanzleramtschef und Minister für besondere Aufgaben, gilt als Kommunikationsgenie und „gefährlichste Waffe der SPD“. Trotzdem hat die Regierung Koordinations- und Imageprobleme – wieso?  ■ Aus Bonn Markus Franz

Gespräche über Kanzleramtsminister Bodo Hombach mit Sozialdemokraten sind immer top-secret. Da wenden sie die Köpfe, um zu sehen, ob auch wirklich niemand in der Nähe ist, senken die Stimme zum Flüsterton, setzen eine Verschwörermiene auf. Sie wissen, daß es nicht ratsam ist, sich mit Hombach, dem Schwergewicht, anzulegen. Bei aller Loyalität gegenüber der Regierung hat sich Ärger aufgestaut über den 46jährigen. Es läßt sich schlecht leugnen, daß es da ein Problem im Kanzleramt gibt. Selbst Parteichef Oskar Lafontaine hat die Koordination der Regierung gerügt: „Wenn ich nur aus der Zeitung erfahre, wie der Atomausstieg läuft, ist es mir nicht möglich, eine klare Politik vorzugeben.“

„Läuft ja nicht gerade gut für die Regierung“, fängt ein Gespräch an, mit jemandem von der SPD- Fraktion. „Kann mal wohl sagen“, lautet die Antwort. „Liegt's auch an der Koordinierung im Kanzleramt?“ „Sieht so aus.“ „Hombach?“ „Das haben Sie gesagt!“

Hombach also. Oder auch nicht. Hombach ist zuständig für die vielen „K's“ im Kanzleramt, wie er es selbst beschreibt: „Kommunikation, Kanzlerzuarbeit, Koordination, Konzept, Koalitionspflege. Konflikte früh erkennen und vermeiden“. Da hapert es eben.

Die Reform der 630-Mark-Jobs wurde im November 1998 praktisch über Nacht gekippt, der Koalitionsvertrag damit ausgehebelt. Arbeitsminister Walter Riester durfte nur ins Kanzleramt eilen, um sich über die Eckwerte des neuen Gesetzentwurfs zu informieren. Oder das Fiasko mit der Atomnovelle, das zum Koalitionskrach ausartete. Am Sonntag das Interview mit Schröder im Fernsehen, in dem er bekräftigt, daß es beim Stopp der Wiederaufbereitung im Jahr 2000 bleibt. Einen Tag später wird die Atomrechtsnovelle gekippt. Wieso Koordinationsproblem?, fragt jemand aus dem Kanzleramt. Die Atomindustrie habe erst an diesem Wochenende richtig Druck gemacht. Die hätten bis dahin selbst nicht gemerkt, daß das Ende der Wiederaufbereitung indirekt die Stillegung einiger Kernkraftwerke zur Folge gehabt hätte. Wenn das Kanzleramt nicht die Notbremse gezogen hätte, hätte die Atomindustrie am Montag die Konsensgespräche für beendet erklärt.

Andere im Haus stellen kritische Fragen. Warum die überstürzte Dramaturgie? Mußte die Brüskierung des Umweltministers sein? Jemand aus der Fraktion sagt: Über das Thema Atom sei im Kanzleramt nur zwischen Nachtisch und Kaffee geredet worden. Aus dem Kanzleramt heißt es: Bis Montag morgen sei für die meisten klar gewesen, daß die Atomrechtsnovelle stehe. Um elf Uhr habe Hombach in der Staatssekretärsrunde verkündet: Wir machen alles anders. „Ist darunter etwa Koordination zu verstehen?“

Für die Koordination der Regierungsarbeit sind vor allem zwei verantwortlich. Hombach als Nummer zwei im Kanzleramt, und Frank Steinmeier, sein Staatssekretär, als Nummer drei. Steinmeier muß dafür sorgen, daß Hombachs Schreibtisch nicht zumüllt, Hombach dafür, daß der Kanzlerschreibtisch sauber bleibt.

Hombach ist nicht nur Kanzleramtschef, sondern auch „Minister für besondere Aufgaben“, wofür er eine zweite Ernennungsurkunde bekommen hat. So koordiniert er unter anderem das Bündnis für Arbeit sowie die Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter. Ursprünglich sollte Steinmeier, der unter Schröder in Niedersachsen die Staatskanzlei geleitet hat, Kanzleramtsminister werden. Dann wurde es Hombach. Zwei starke Männer direkt unter dem Kanzler: Bisher hat es so eine Konstruktion noch nicht gegeben. Im Kanzleramt behaupten nicht wenige, die Doppelspitze führe zu Problemen.

Steinmeier hat zusammen mit Wirtschaftsminister Werner Müller und Jürgen Trittins Staatssekretär im Umweltministerium, Rainer Baake, die Atomnovelle koordiniert, die am 13. Januar im Kanzleramt beschlossen wurde. Am Freitag, bevor die Novelle platzte, fuhr Steinmeier in Urlaub. Am selben Tag informierte Hombach den SPD-Fraktionschef Peter Struck sowie Umweltminister Trittin über ein bevorstehendes Scheitern. Am Samstag telefonierte Steinmeier mit Baake und bestätigte daß die Eckpunkte der Novelle verabschiedet werden könnten, wenngleich nicht wie im Zeitplan vorgesehen. Am Montag verkündete Hombach das Aus.

Was war passiert? Gerüchte kursieren: Hat Hombach Steinmeier ausgebootet? Wirkt sich das Verhältnis der beiden belastend auf die Regierungsarbeit aus? Steinmeier soll sauer sein. Gegenüber der taz bezeichnet er die Schilderungen über Probleme zwischen sich und Hombach als „ziemlichen Unsinn“. „Es gibt offensichtlich Interessierte, die nachweisen wollen, daß es in dieser Konstellation im Kanzleramt nicht klappen kann.“ Hombachs Sprecher Walter Jakobs sagt: „Zwischen Hombach und Steinmeier gibt es keine Probleme. Probleme haben höchstens die Leute aus der zweiten und dritten Reihe.“

Mit anderen Worten: Es gibt Probleme im Kanzleramt. Kanzler Schröder mußte bereits ein Machtwort sprechen. Arbeitet gefälligst mit dem Hombach gut zusammen, soll er zu einigen Mitarbeitern im Kanzleramt gesagt haben. Er wolle keine Klagen mehr hören.

Aber das Geraune über Hombach und Steinmeier will nicht verstummen. „Kritisch, kritisch“, sei die Situation, sagt jemand aus dem Kanzleramt und wiegt bedenklich den Kopf. Einmal soll Hombach eine Personalentscheidung von Steinmeier rückgängig gemacht haben. Die Genannten sagen, die Entscheidung sei einvernehmlich gefallen. Des öfteren soll Hombach Steinmeier Absicht unterstellen, wenn er glaubt, von etwas zu spät erfahren zu haben. Die entsprechenden Geschichten dazu dürfen nicht berichtet werden. Die Betreffenden fürchten Rückschlüsse auf bestimmte Personen. Ist Hombach etwa eifersüchtig auf den allseits beliebten Steinmeier, wie gemunkelt wird? Steinmeier gilt als sympathisch, loyal, effektiv. Viele Mitarbeiter im Kanzleramt wenden sich lieber an ihn, der stets ruhig und gleichbleibend freundlich erscheint als an den charismatischen, aber manchmal auch bollerigen, unberechenbaren Hombach. „Der ruft einen herzlich zu sich rein“, erzählt jemand aus dem Kanzleramt, „und schmeißt einen zwei Minuten später wieder raus.“

Hombach, der auch von politischen Freunden als eitel und gefallsüchtig beschrieben wird, der sich ein protziges Haus gebaut hat, der seine Büros mit Designermöbeln ausstattet, der Hemden mit seinen Initialen trägt und als Markenzeichen Krawatten mit Elefantenmotiven, wird mehr respektiert als gemocht.

Selbst seine Gegner nennen ihn ein „Kommunikationsgenie“. Er sei offen für Argumente, unbürokratisch, unkonventionell, habe eine schnelle Auffassungsgabe. „Ich habe gern mit ihm zusammengearbeitet“, sagt ein Minister der NRW-Landesregierung in Erinnerung an Hombachs dreimonatiges Gastspiel als Wirtschaftsminister. Aber auch: „Er ist gefährlich, man darf ihm nicht trauen.“ Der Minister vergleicht Hombach mit einem Krokodil, das die meiste Zeit ruhig daliege. „Wenn es paßt, schnappt er zu.“ Heiner Geißler nannte Hombach einmal „die gefährlichste Waffe der SPD“, Kurt Biedenkopf lobte ihn als den „besten deutschen Wahlkämpfer“. Aber bedeutet das auch, daß der gelernte Fernmeldehandwerker als Kanzleramtschef der Richtige ist?

Viele Sozialdemokraten bezweifeln das. Der Mülheimer habe zwar drei Landtagswahlkämpfe von Johannes Rau erfolgreich gemanagt. Aber nur durch Verzicht auf Inhalte. Einerseits erkennen sie an, daß Hombach als erster amerikanische Wahlkämpfe auf Deutschland übertragen habe. Andererseits beklagen sie, er lasse sich zu sehr von der Demoskopie leiten. „Hombach“, klagt ein Düsseldorfer SPD-Landespolitiker, „hat Politik nie von den Inhalten her formuliert, sondern immer von der Demoskopie“. Den Bundestagswahlkampf für Rau 1986 habe Hombach deshalb auch „grandios vergeigt“. Grandios: Selbst im Negativen schwingt eine gewisse Ehrfurcht mit.

Hombach, so lautet die Analyse, sei vom Typ her weniger Koordinator als Moderator. Seine Stärke liege darin, wichtige Leute an einen Tisch zu holen, zu moderieren und dann das im Dialog gefundene Ergebnis zu verkaufen. Er sei aber niemand, der zunächst Standpunkte definiere, dann selbst Kompromisse formuliere und schließlich den Abstimmungsprozeß manage. Aufopferungsvolle Kleinarbeit in den Niederungen der Administration sei seine Sache nicht. „Hombach ist ein sich selbst beweihräucherndes System“, sagt jemand aus der Partei. Aus dem Kanzleramt klagt jemand: „Der ist zu sehr an Außenwirkung interessiert.“ Statt sich vornehmlich um prestigeträchtige Themen zu kümmern, wie die Entschädigung von Zwangsarbeitern, solle er sich lieber erst mal „in den Dienst der Sache stellen“.

Warum, zum Beispiel, fragt man sich, erscheint Hombach nicht häufiger bei den Sitzungen der geschäftsführenden Fraktionsvorstände der SPD? Auch um die Grünen müsse er sich mehr kümmern. Gerade jetzt, wo es zwischen den Koalitionspartnern knirsche.

Bundeskanzler Schröder hat das Problem offenbar erkannt. Mit Vizekanzler Joschka Fischer hat er bereits über Koalitionsrunden gesprochen, die alle vierzehn Tage stattfinden sollen. Ein Beleg dafür, daß die Abstimmung im allgemeinen und mit Hombach im besonderen verbessert werden muß? Aber auch so ist Hombach nicht zu fassen. Sein Sprecher, Walter Jakobs: „Hombach ist auch dafür.“

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