: Der serbische Joker Milutinović
■ Serbiens Präsident hat seine Aufgabe erfüllt: Er sollte sich niemals festlegen lassen, aber immer eine Hintertür offenhalten
Obwohl Milan Milutinović, 57, offiziell nicht einmal Mitglied des serbisch-jugoslawischen Verhandlungsteams ist, hat er das Sagen in Rambouillet. Geschickt hat sich der serbische Präsident erst nachträglich der stockenden Kosovo- Konferenz angeschlossen und sogleich einen Sonderstatus erhalten: Er ist nicht wie andere serbische und kosovo-albanische Delegationsmitglieder im französischen Jagdschloß eingeschlossen und ständigem Druck der internationalen Vermittler ausgesetzt, sondern residiert in Paris, hat aus der jugoslawischen Botschaft abhörsicheren Kontakt mit Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević und kommt, wie die westlichen Außenminister, zu den Gesprächen, wann es ihm paßt.
Milutinović gehört zu den engsten Mitarbeitern Milošević', er gilt als einer der wenigen, die nicht nur den Anweisungen des „großen Bosses“ folgen, sondern ihn auch beeinflussen können. Als jugoslawischer Außenminister war Milutinović allerdings blaß. Bekannt wurde er erst, als ihn Ende 1997 Milošević als Präsidentschaftskandidat einsetzte und er die Wahlen gegen den Ultranationalisten Vojislav Šešelji in Serbien gewann. Gleich darauf fiel er fast in Vergessenheit. In den oppositionellen Medien wurde gefrotzelt, er mische sich nicht einmal in eigene Angelegenheiten ein. Erst, als es wieder brenzlig wurde, setzte Milošević seinen Familienfreund ein – in Rambouillet.
Milutinović gilt als charmant, witzig und äußerst beliebt unter seinen Mitarbeitern. Er lächelt oft und gern, was auch seine härtesten Worte erträglich erscheinen läßt. Außerdem ist er bekannt dafür, sich niemals festzulegen und immer ein Hintertürchen offenzulassen. So erklärte er in Rambouillet nach allen unnachgiebigen Aussagen gutmütig lächelnd: „Wenn wir ein sehr gutes Abkommen treffen, können wir über die Art und Größe einer internationalen Anwesenheit im Kosovo sprechen, die dieses Abkommen durchsetzen könnte.“
Der gebürtige Belgrader spricht solide Englisch wie Französisch und wechselt gerne von einer Sprache in die andere. Die ihm untergebene Propagandamaschinerie des Regimes vermittelt von ihm das Bild eines ausgeglichenen, gewissenhaften Mannes, der Ordnung ins serbische Chaos bringen möchte. Das Image eines gescheiten, höflichen und lustigen Menschen wurde geschaffen. Durch seine Rolle in Rambouillet ist seine Person endgültig im eigenen Land stark aufgewertet worden, es besteht kein Zweifel mehr, daß er nach Milošević „die Nummer zwei“ ist.
Von Milutinović' Einschätzung hängt im großen Maße ab, wie hoch Milošević eigentlich pokern wird. Gleich nach seiner Ankunft in Rambouillet sagte Milutinović, er würde die kosovo-albanischen Vertreter „abküssen“, wenn es nur den Frieden bringen würde, obwohl sie Terroristen seien. Seine wichtigste Aufgabe ist, sich kompromißbereit zu zeigen, den Kosovo-Albanern die Schuld für ein eventuelles Scheitern der Gespräche zuzuweisen und auf keinen Fall zu früh dem Druck der internatioanlen Gemeinschaft nachzugeben. Dabei hat sich Milutinović bewährt. Andrej Ivanji, Belgrad
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