piwik no script img

Tierlieb und hundsgemein

Karen Duve macht es anders: Während die männlichen Kollegen zum Ausgleich boxen, schlägt sie beim Schreiben zu  ■ Von Karin Liebe

Ihr Blick ist einer von der durchdringenden Sorte. Mißtrauisch beäugt Karen Duve die zu spät kommende Journalistin. Ungeschminkt, im karierten Holzfällerhemd und Jeans sitzt sie da im Café vor einem dicken, schon halb aufgegessenen Stück Kuchen.

Doch wenn Karen Duves auffallend schräg gestellte Augen sich nicht gerade unmutig auf ihr Gegenüber richten, macht ihr scharfer Blick richtig Spaß. Gnadenlos gemein und mit bissigem Humor seziert sie in ihrem Erstling Regenroman die Schwachpunkte eines jungen Ehepaars und treibt die beiden konsequent an ihre emotionalen und physischen Grenzen. Der Roman, so gibt Karen Duve ganz offen zu, habe auch sie einiges gekostet. Fünf lange Jahre hat sie an ihm gearbeitet und mehr als eine Schreibkrise überwinden müssen. „Das Schlimmste, was man sich bei einer Romanfigur ausdenken kann“, hätte sie getan: einen passiven Menschen zur Hauptperson wählen. Weil der Schriftsteller Leon immer kaninchenhaft abwartet, kam auch die Geschichte nicht voran. Bei ihren Kurzgeschichten, die 1995 unter dem Titel Im tiefen Schnee ein stilles Heim erschienen sind, hatte Karen Duve noch erfolgreicher auf Eingebungen gewartet. Nach einer schlaflosen Nacht war ihr meistens die Lösung eingefallen: „Bups, das ist es.“

Beim Regenroman verlief alles viel komplizierter. Tausend Schlußvarianten hat sie sich ausgedacht, bis endlich eine saß. Doch als sie das Manuskript erleichtert abgegeben hatte, ging es erst richtig los: Der Verlag monierte die extremen Perspektivsprünge und bat sie, zwecks besserer Lesbarkeit große Teile umzuschreiben. Ein ganzes Jahr lang hat sie sich noch einmal gequält – doch mittlerweile hält sie die Kritik für berechtigt.

Auch sonst ist Karen Duve erstaunlich selbstkritisch. Ohne jede Eitelkeit erzählt sie mit ironischer Distanz von ihren literarischen Anfangserfolgen. Die Kurzgeschichte, die den „Preis für junge Prosa Arnsberg“ gewonnen hat, würde sie nie wieder einreichen – genauso wenig wie die vom Open-Mike der LiteraturWerkstatt Berlin prämierte Erzählung. Damals hätte sie „radikal, formalistisch und sprachartistisch“ geschrieben. Als sie merkte: „Ich mag meine eigenen Geschichten nicht lesen“, verabschiedete sie sich von diesem künstlichen Stil.

Obwohl Verleger das gar nicht mögen, stellt sie einen Schriftsteller in den Mittelpunkt ihres Debütromans. Immerhin aber, so meint sie trocken, wäre ihr Erstling weder in der Ich-Form geschrieben noch sei er autobiographisch – alles Dinge, die Verleger noch lauter aufstöhnen ließen. Bevor Eichborn ihren Roman annahm, sollte sie dort erst einmal ein Sachbuch veröffentlichen, und so gab sie 1997 das Lexikon berühmter Tiere heraus. Ihre Tierliebe hat die 1961 in Hamburg-Lemsahl geborene Autorin, die „bloß nicht zur Tussi mit dem Tier-Tick“ gestempelt werden will, in die Provinz verschlagen. Weil sie sich ein Pferd kaufen und endlich den Himmel und die Sterne sehen wollte, ist sie vor einem Jahr von der Hamburger Innenstadt ins Wendland gezogen. Dort wohnt sie zur Untermiete in einem Bauernhaus und genießt es, stundenlang auszureiten, ohne einem Menschen zu begegnen.

Eine Menge unangenehmer Zeitgenossen hat sie nach dem Abitur in Hamburg als Taxifahrerin kennengelernt: Zuhälter, die genau dem TV-Klischeebild vom brutalen Loddel entsprachen. Zwei von ihnen hat sie in den Regenroman eingebaut: Harry, den „besten Freund“ Leons, und den Schlägertypen Pfitzner. Der ehemalige Boxer läßt sich von Leon seine Biographie schreiben – und schreckt vor keiner Gemeinheit zurück, als ihm das Manuskript nicht gefällt.

Karen Duves Augen, die zwischendurch so freundlich geguckt haben, blitzen aggressiv auf, wenn sie davon spricht, wie widerlich sie die Sentimentalisierung des Rotlichtmilieus findet. „Niemals“, so sagt sie mit Nachdruck, würde sie wie Wolf Wondratschek die Biographie eines Zuhälters schreiben. Viele Schriftsteller müßten sich ihre Männlichkeit außerhalb ihres „weiblichen Berufs“ beweisen, indem sie Stiere töteten oder boxten. Karen Duve macht es anders: Sie schlägt direkt beim Schreiben zu.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen