■ Scheitert das Bündnis für Arbeit, scheitert der Traum vom Konsens: Schröders Talkshow
Kommt was heraus beim Bündnis für Arbeit, oder ist das Ganze nur eine Inszenierung, bei der es am Ende nur darum geht, daß alle Teilnehmer keinen schlechten Eindruck hinterlassen? So einfach ist die Frage, die sich heute wieder Millionen Fernsehzuschauer stellen, wenn Schröder, Zwickel, Hundt und Co. pünktlich zur „Tagesschau“ die zweite Runde der Bündnis-Gespräche beenden. Von 14 Uhr bis 19 Uhr tagt die Männerrunde im Kanzleramt. Danach werden die vermeintlich Mächtigen irgendwas in die Kameras erzählen müssen. Aber was?
Im Mittelpunkt der heutigen Gesprächsrunde sollen die Unternehmenssteuerreform und die Ausbildungsplätze stehen. Bundeskanzler Schröder hat bei der Steuerreform zugunsten der Unternehmer nachgebessert. Denkbar wären im Gegenzug vage Versprechen der Arbeitgeberseite, sich in diesem Jahr um zusätzliche Lehrstellen zu bemühen. Diese Versprechen gab es auch schon in der Vergangenheit, auch die Steuerreform wurde längst in anderen Gremien verhandelt. Dazu bräuchte es keine Chefrunde im Kanzleramt. Also: Was bringen die Bündnis-Gespräche?
Die Runde könnte eine Plattform für Tauschgeschäfte sein, Tauschgeschäfte unter dreien. „Gebt ihr mir was, geb' ich euch auch was.“ Nur so würden die Bündnis-Gespräche Sinn machen: Als Ort von Tauschgeschäften, die nur hier verhandelt werden können, weil in der Runde Vertreter der Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Regierung gleichzeitig beisammensitzen. Die Bündnis-Gespräche als Meta- Runde gegen politische Stagnation. Kommt nichts dabei heraus, verstärkt das nur die Lähmung: Wenn es nicht mal die Mächtigen miteinander schaffen, wer soll dann noch politisch steuern, wie es weitergeht auf dem Arbeitsmarkt?
Theoretisch wären durchaus verschiedene Tauschgeschäfte denkbar: Die Regierung stimmt zu, den Unternehmern weitere Steuererleichterungen zu gewähren, die Wirtschaftsverbände versprechen im Gegenzug, die Zahl der Überstunden zu begrenzen und dafür neue Leute einzustellen. Die Gewerkschaften sagen gleichzeitig zu, einer Kappung der Überstundenzuschläge zuzustimmen. Schon die Beschreibung solcher Tauschgeschäfte klingt naiv: Man spürt, daß es so niemals laufen wird. Die mittelständischen Unternehmer, die Einzelgewerkschaften, die Haushaltspolitiker würden protestieren. Zu einem Tauschgeschäft gehört, daß am Anfang klar ist, wer im Zweifelsfall auf was verzichten kann. Die Frage der Zumutbarkeiten wurde aber in der Bonner Chefrunde kaum offen diskutiert.
Münden die Bündnis-Gespräche in banale Absichtserklärungen, ist dies das Ende der Hoffnungen auf einen sozialpolitischen Konsens, der alles schon irgendwie richten wird. Es war vielleicht der größte Fehler von Schröder, die Bündnis-Gespräche, auf die er nur begrenzten Einfluß hat, zum wichtigsten Projekt seiner Regierung zu erklären. Sein Hintergedanke, dann am Ende für deren Scheitern nicht voll verantwortlich gemacht werden zu können, fällt auf ihn zurück: Schröder muß sich schon jetzt von der Opposition vorwerfen lassen, eine reine Showveranstaltung zu betreiben. Dagegen kann er nur eins tun: Der Kanzler muß mehr Druck ausüben.
Was würde beispielsweise passieren, wenn Schröder mit der Einführung einer Lehrstellenabgabe für die Unternehmen droht, falls diese nicht verbindlich zusagen, mehr Auszubildende zu beschäftigen? Und wenn in jedem Fall die Zahl der Überstunden gesetzlich begrenzt würde, müßten sich die Tarifparteien darüber einigen, wie es weitergeht mit Mehrarbeit und Neueinstellungen. Außerdem würde die befristete Einführung eines subventionierten Niedriglohnsektors darüber Aufschluß geben, ob denn was dran wäre an dem Gerücht, daß damit mehr Menschen in Lohn und Brot kämen. Die Bündnis-Gespräche brauchen konkrete Vorhaben mit politischer Folgewirkung. Besser Widerstände überwinden als ins Leere laufen. Denn Leere läßt sich nach drei Jahren „Bündnis“-Gequatsche nicht mehr als Politik verkaufen. Auch nicht heute in der „Tagesschau“ um 20 Uhr. Barbara Dribbusch
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