: Rangeleien um die Nachfolge von Öcalan
Außer dem Bruder von Öcalan wollen noch andere den PKK-Führer beerben. Partei dskutiert über eine kollektive Führung. Derweil schlachten die türkischen Medien die Debatten genüßlich aus ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
„Die Partei ist doch kein Erbhof. Die Führungsfrage wird doch bei uns nicht über verwandtschaftliche Bande geregelt.“ Cemil Bayik, der letzte bekannte Militärführer aus der Gründungszeit der PKK, ist empört über die Ansprüche Osman Öcalans, einer der Brüder des großen Führers. „Der hat gar nichts zu sagen“, meint Bayik, „der saß all die Jahre des Kampfes in Damaskus im Trockenen.“
Osman Öcalan beruft sich dagegen auf seinen Bruder und markiert den harten Mann. Er verbreitet Angriffsparolen und hofft so, in der Organisation an Popularität zu gewinnen. Vor zwei Tagen meldete sich auch der bisherige Europasprecher der PKK, Kani Yilmaz, als Aspirant auf die Nachfolge Apos. Der Führer habe ihn in Italien aufgefordert, die Geschicke der PKK in die Hand zu nehmen, falls ihm etwas passiert.
Yilmaz nennt als Zeugen den Italien-Repräsentanten der PKK, Ahmet Yaman. Bisher sollen Bayik und Osman Öcalan die Ansprüche von Yilmaz schlicht ignoriert haben. Yilmaz, so heißt es in PKK-Kreisen, habe schlechte Karten, weil er dafür verantwortlich gemacht werde, daß Apo in Europa keine Bleibe gefunden habe.
Die Debatte um die Nachfolge wird teilweise im kurdischen Med-TV geführt – Bayik und Osman Öcalan haben dort konkurrierende Interviews gegeben – zum Teil in der PKK-Zeitung Özgür Politika (Freie Politik) ausgetragen und durch türkische Medien zusätzlich angeheizt. Türkische Zeitungen geben mit Vorliebe angebliche Mitschnitte von Funkgesprächen der PKK-Kommandanten zum besten, in denen diese sich Vorwürfe machen oder aus denen hervorgeht, daß im militärischen Flügel, bei den Kämpfern auf den Bergen, nackte Panik herrscht.
Teilweise decken sich die Informationen türkischer Blätter aber auch mit denen in Özgür Politika. So schrieb das islamische Blatt Yeni Șafak, die PKK werde eine Kollektivführung aus sechs Personen einrichten, mit Osman Öcalan als Aushängeschild. Außer den oben erwähnten seien das die ZK- Mitglieder Murat Karayilan und Mehmet Karasu, im Gespräch noch Duran Alkan, Riza Altun, Yücel Halis und Amili Yilderim.
Ein Kommentator in Özgür Politika bestätigte diese Informationen indirekt und erklärte, die PKK werde sich nicht auseinanderdividieren lassen sondern eine kollektive Führung bilden. Völlig unklar scheint indes, welche politischen Vorstellungen sich mit den jeweiligen Namen verbinden. Wie die PKK weiter agiert, wird wohl vor allem dadurch entschieden, welche Möglichkeiten ihr noch bleiben.
Die Leute um Kani Yilmaz, die seit längerem darauf drängen, daß die PKK ihren Schwerpunkt auf eine politische Auseinandersetzung legt, haben einen schweren Rückschlag erlitten. Keine europäische Regierung hat die PKK als offizielle Vertretung der Kurden der Türkei anerkannt, geschweige denn, Abdullah Öcalan und seine Leute als eine Art kurdische Exilregierung akzeptiert.
Die jüngsten Auseinandersetzungen dürften die politische Position der PKK geschwächt haben. Aber auch der militärische Flügel ist in Bedrängnis. Der Krieg auf den Bergen ist verloren, auch im Nordirak steht die PKK unter Druck. Ob die Partei „den Krieg in die Städte“ tragen wird, ist reine Spekulation. Zunächst verbreitet das ZK Durchhalteparolen und schaut gebannt nach Imrali.
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