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Langes Feilschen um die Bauern-Milliarden

■ Agarminister verhandeln in Brüssel Tag und Nacht über Neuordnung der EU-Subventionen

Berlin (taz) – Seit Montag reden die EU-Agrarminister in Brüssel über Geld. Ursprünglich wollten sie für den heutigen Gipfel auf dem Bonner Petersberg ein Kompromißpapier fertig haben, über das dann die Regierungschefs beraten können. Schließlich macht der Agrarhaushalt die Hälfte der gesamten EU-Ausgaben aus. Ob ein solches Papier den 15 Regierungschefs vorliegen wird, war bis gestern noch unklar: Die Landwirtschaftsminister verhandelten bis Mitternacht in Vier-Augen-Gesprächen. Ab zwei Uhr morgens wollten sie dann über ein gemeinsames Kommuniqué debattieren.

Wenn in diesem Bereich ein für alle akzeptabler Sparkurs gefunden wird, wäre ein großer Brocken des Reformpaketes, das unter dem Stichwort Agenda 2000 verabschiedet werden soll, vom Tisch.

Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, im ersten Halbjahr 1999 unter ihrer Ratspräsidentschaft das EU-Reformpaket Agenda 2000 zustande zu bringen. Die Finanzreform wird nötig, weil sonst die Aufnahme neuer Mitglieder aus Osteuropa unbezahlbar würde. Nun zeigt schon die erste Fachministerrunde, in der es wirklich um Geld geht, wie zäh das Ringen der nächsten Monate sein wird.

Vier Tage lang versuchte der deutsche Verhandlungsführer, Landwirtschaftsminister Karl- Heinz Funke, in einem Wechselspiel aus Einzelgesprächen und Plenarsitzungen seine Kollegen auf einen Kompromiß zu den Stützpreisen für Rindfleisch, Milch und Getreide zu verpflichten. Zwischendurch war der um seine vielen Rinderbauern besorgte französische Kollege sogar erbost abgereist, stieß dann jedoch gestern wieder zu den Verhandelnden.

Daß hochsubventionierte Preise problematisch sind, bestreitet inzwischen kein Mitgliedsland mehr. Garantiepreise regen die Überproduktion an, und das bedeutet mehr teure Lagerhaltung. Außerdem sind bei den Verhandlungen mit der Welthandelsorganisation WTO im Herbst neue Streitigkeiten vorprogrammiert. Tatsächlich aber wurde tagelang um Prozentpunkte gefeilscht. Nun zeichnet sich ein Zwischenergebnis ab, das 4,3 Milliarden Euro teurer wäre als der Reformentwurf der EU-Kommission. Der Garantiepreis für Rindfleisch soll in drei Stufen um 25 Prozent gesenkt werden – die Kommission hatte 30 Prozent Preissenkung angestrebt. Die Getreidepreise sollen sofort um 20 Prozent sinken. Für Raps und andere Ölsaaten soll es ebenfalls nur eine Stufenlösung geben – auch das verursacht Mehrkosten im Vergleich zum Kommissionsentwurf.

Der zweite Teil des Agrarpakets, in dem es um Ausgleichszahlungen für die gekürzten Preise gehen soll, wird durch den Streit um Preisprozente immer weiter nach hinten verschoben. Er gilt als weniger strittig. Allerdings liegt in den Fragen, ob kleinere Höfe gegenüber Agrarfabriken bessergestellt werden sollen und wie Umweltkriterien in die Förderung einfließen werden, noch viel Zündstoff. Umstritten ist auch der Vorschlag der EU-Kommission, die Direktbeihilfen stufenweise zu senken.

Die Bauernverbände stehen der Idee der Direktbeihilfen ohnehin skeptisch gegenüber, weil sie fürchten, bei finanziellen Engpässen in der Gemeinschaft könnten Einkommen aus Direktbeihilfen weniger sicher sein als garantierte Preise. Die Sorgen der Landwirte werden beim Gipfeltreffen der Regierungschefs auf dem Petersberg bei Bonn in den Hintergrund treten. Dort wird ums Gesamtbudget gefeilscht, um Großbritanniens Sonderrabatt und Deutschlands Wunsch, weniger in den Gemeinschaftstopf zu zahlen. EU-Agrarkommissar Franz Fischler hatte die Landwirtschaftsminister schon vor Wochen gewarnt: Wenn sie sich nicht intern auf einen akzeptablen Sparvorschlag einigen können, der die Osterweiterung bezahlbar macht, werden die Finanzminister die Sache entscheiden. Und das bedeutet für die Bauern noch viel schmerzhaftere Einschnitte im Budget. Daniela Weingärtner

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