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Bergsteigen durchs männliche Gemächte

■ Helge Schneider stellte Helga Schneiders neues Buch vor: Alter Nonsens, neue Perücke

Bereits eine Stunde vor Beginn der Lesung friert eine Schlange von 250 wartenden Menschen vor dem BKA-Zelt am Schloßplatz. Keine schlechte Resonanz für eine Debüt-Autorin. Doch nicht Monica Lewinsky stellte am Mittwoch ihr neues Buch vor, sondern eine bislang gänzlich unbekannte Autorin: Helga Maria Schneider.

Aber hinter dem subtilen Pseudonym verbirgt sich der ausgesprochen männliche Vater von „Katzeklo“, „Texas“ und „Fitzefatze“. Wandlungen, auch wenn sie nur aus einer neuen Lockenperücke und etwas konservativeren Loden bestehen, geziemen sich nun mal für einen echten Popstar. Aus Prince wurde „Symbol“, aus Madonna eine Mutter und aus Helge Schneider eine Frau.

Und die mag Männer nicht besonders, wie ihr Buch „Eiersalat" schon im Titel anklingen läßt. „Eine Frau geht seinen Weg“, mitunter auch mit Bergsteigerschuhen durchs männliche Gemächte. „Geistige Pisser“ – mehr hat sie für die Herren der Schöpfung nicht übrig, denn „jeder Mann ist ein Feind“. Und insbesondere der Ehemann wird Ziel des weiblichen Spottes: „Ich werde es ihm immer wieder heimzahlen, daß er sich für mich entschieden hat.“

Nachdem Helge bereits vor einigen Jahren den ersten Teil seiner Autobiographie ablieferte („Guten Tach. Auf Wiedersehen.“), zieht Helga nun nach: mit einer „Femina emanzipa autonomika“, einem „Standardwerk der Frauenliteratur“. Mit einer netten Sammlung abstruser, handlungsneutraler Geschichten mit dem Esprit einer Pommesbude, wie man sie von Helge schon kannte. Und zusätzlich mit allem drin, was frau ihrem zipfelbehängten Pendant so voraushat, und mit Spezialkapiteln über Sachen, „die frau eigentlich auch kann, aber keiner hat ihr gezeigt, wie's geht“. Die Ehe zum Beispiel. „Ich wollte mich schon damals emanzipieren und brauchte dafür einen Kerl wie ihn“ – Helga bietet mitunter auch echte Weisheiten.

Und während der Regen aufs Zeltdach des Luftschlosses trommelt, berichtet sie von ihrer feministischen Autowerkstatt, dem Rausschmiß ihres Gatten und folgenreichen Affären im Urlaub: Tiraden von Tiefschlägen, gekrönt von der Geburt eines Sohnes – „H-Milch statt Brust“. Und selbst der Lottogewinn, von dem Helga eine männerfreie Stadt kauft, bleibt ein Traum.

Schneider ist sich bei „Eiersalat“ treu geblieben, was das Stammpublikum artig würdigte, auch wenn manche Kalauer ranzig wirkten: „Als Gott den Mann erschuf, übte sie nur“, hat man doch schon irgendwo gehört. Und vielleicht sollte Schneider die Frauenrolle lieber wieder seinen Filmpartnern überlassen. Denn die Trash-Travestie kommt insgesamt, im Buch wie im Auftritt, eher behäbig daher. Umspült von umgeschneiderten Kuschelrock-Oldies wie „Nights in White Satin“ oder „Blue Eyes“ bot Helga weder schriftstellerisch noch musikalisch etwas, was Helge nicht schon ausgereizt hätte. Beide fühlten sich denn auch nach dem am Ende des Abends im Publikum einsetzenden Konzentrations- und Lachabfall gänzlich unverstanden. Warten wir also auf Monica. Christoph Rasch

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