: Auch Schuß in den Rücken. Israelis in Erklärungsnot
■ Rechtsausschuß des Berliner Parlaments berät Tathergang am israelischen Konsulat
Immunität schützt vor Aufklärung nicht. Das zumindest wollen die Berliner Grünen zum Blutbad am israelischen Generalkonsulat erreichen. Die israelischen Sicherheitsbeamten, deren Schüsse vor zwei Wochen vier KurdInnen das Leben gekostet haben, sind längst in Israel und der deutschen Rechtssprechung ohnehin entzogen. Unterdessen kommen immer mehr Einzelheiten ans Licht, die die Notwehrinterpretation der israelischen Seite stark in Zweifel ziehen. Heute wird sich der Rechtssausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses damit befassen.
Wie aus einem inzwischen bekanntgewordenen Obduktionsbericht hervorgeht, sind nicht nur zwei der getöteten KurdInnen durch Kopfschüsse umgekommen. Die 18jährige Sema Alp wurde neben einem Schuß von „seitlich halbschräg von hinten“ in den Kopf dazu noch in den Rücken getroffen, dieser Schuß jedoch sei nicht tödlich gewesen und aus größerer Distanz abgegeben worden, heißt es in dem Bericht.
Sollte die Notwehrversion aufrechterhalten werden, könnte die Distanz nur bedeuten, daß die junge Frau von einem zweiten Sicherheitsbeamten erschossen wurde, während sie einen anderen bedrohte. Diese Version hält ein Experte für unwahrscheinlich. Frauen spielten bei den Kurden eigentlich nicht diese Rolle.
Aus dem Obduktionsbericht geht weiter hervor, daß ein Dritter Toter, Mustafa Kurt, an seitlichen Brustschüssen gestorben ist. Ahmet Acar, der vierte Tote starb an zwei Bauchschüssen. Von gezielten Schüssen auf die Beine und in die Luft kann angesichts dieser Verletzungen und angesichts der unterschiedlichen Schußrichtungen kaum mehr die Rede sein.
Berlins Justizsenator Erhart Körting (SPD), der heute im Rechtsausschuß einen detaillierteren Bericht über den Ablauf der Ereignisse im Konsulat abgeben soll, wird sich nicht nur mit den Ergebnissen des Obduktionsberichts befassen müssen. Auch wird es um die Frage gehen, wer zwei der Erschossenen in den Keller des Konsulats geschafft hat. Während die Isralis sagen, die Polizei habe die Leichen in den Keller gebracht, heißt es aus Polizeikreisen, die Israelis hätten die Getöteten weggebracht. Auch berichten Polizisten, die Israelis hätten die versuchte Konsulatsbesetzung – nachdem sie selbst die Tür geöffnet hätten – quasi militärisch abgewehrt. Es handle sich juristisch gesehen deshalb nicht um pure Notwehr, sondern um einen „Notwehrexzeß“.
Zumindest von einem Teil der Ereignisse existiert auch ein Polizeivideo. Darauf sollen ein israelischer Sicherheitsbeamter zu sehen sein, Schußszenen und verletzte KurdInnen. Das Video wird jedoch heute vermutlich nicht im Ausschuß gezeigt.
Auch ist inzwischen ein Brief des dem Konsulat benachbarten Umweltbundesamtes (UBA) aufgetaucht. Darin bestreitet der Präsident des UBA, Andreas Troge, die Version der Innenverwaltung, wonach sich 70 bis 80 KurdInnen im Hof des UBA versteckt gehalten hätten und so die Polizisten überrennen konnten. Vielmehr hätten sich einige KurdInnen auf dem Hof eingefunden, dort randaliert, der Pförtner habe sofort die Polizei benachrichtigt. Der unzureichende Schutz des Konsulats durch die Berliner Innenbehörde gerät dadurch um so mehr ins Zwielicht. Barbara Junge
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