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„Lausemädchen“ will Staatspräsidentin werden

■ Emma Bonino ist die erste Frau, die für das italienische Spitzenamt kandidiert. Die EU-Kommissarin und radikale Politikerin hat Fans in fast allen Parteien. Anfang Juni könnte sie es schaffen

Bisher ist sie nur eine Art Zählkandidatin, auch wenn ihr Wahlkomitee schon mächtig Trubel ausgelöst hat: Emma Bonino, gebürtig aus dem piemontesischen Bra in der Provinz Cuneo, 51 Jahre, derzeit Europakommissarin für den Verbraucherschutz, hat offiziell ihre Kandidatur für die Staatspräsidentschaft angemeldet – die erste Frau, die es wagt, in diese Männerdomäne Italiens einzubrechen.

Da der Staatschef – die Staatschefin – in Italien wie in Deutschland noch immer von einer Art Bundesversammlung (aus Senatoren, Abgeordneten und Vertretern der Regionen) gewählt wird, war bislang vor allem Rückhalt bei den großen Parteien wichtig – Quereinsteiger bei der Kandidatur gab es faktisch nie, und gewählt wurde schon gar keiner. So hat Emma Bonino nur ihre kleine „Radikale Partei“ hinter sich (Wähleranteil: ein bis zwei Prozent), als deren Abgeordnete, später Vorsitzende sie sich hochgedient hat, bis die Regierung Berlusconi sie 1994 ins Amt der Europakommissarin hievte.

Daß sie nur auf wenig Parteimacht zählen kann, bedeutet bei Emma Bonino nicht viel. „Lausemädchen“ hat sie der frühere Staatspräsident Sandro Pertini einmal liebevoll tituliert. 1975 gründete sie ein Komitee zur Hilfe für abtreibungswillige Frauen. Wenig später wurde in Italien eines der besten Abtreibungsgesetze Europas verabschiedet.

Als eben gewählte Europaabgeordnete sorgte sie 1994 für eine weitere Diskussion mit dem Vorschlag, die Todesstrafe in aller Welt für mindestens fünf Jahre auszusetzen.

In Kabul ließ sie sich 1997 von den „Taliban“ verhaften, nachdem sie öffentlich für die Frauenrechte eingetreten war. 1998 war sie tagelang beim Sit-in vor dem italienischen Parlament, weil die Mitte- Links-Regierung die Subventionen für den Parteisender Radio Radicale streichen wollte – er sendet heute noch. Und Anfang 1999 erklärte sie, ihre Landsleute sollten sich nicht so haben, die paar Millionen Immigranten könne man ohne weiteres verkraften – die Regierung amnestierte daraufhin mehr als 200.000 Zuzügler.

Fans hat Ema Bonino mittlerweile in allen Parteien, obwohl oder gerade weil sie die Amtsführung der letzten drei, vier Präsidenten als „exzessiv und am Rande des Verfassungsbruchs“ brandmarkt. Für sie ins Gewicht fallen könnte bei der Wahl Anfang Juni, daß diesmal die Neigung, eine Frau zu wählen, weit verbreitet ist.

Das allerdings hat weniger mit einer neu ausgebrochenen Frauenfreundlichkeit zu tun, als mit der Tatsache, daß in spätestens zwei Jahren eine neue Verfassung in Kraft treten soll, die die Direktwahl des Staatspräsidenten – der Staatspräsidentin – durchs Volk vorsieht. Emma Bonino, kaum im Amt, müßte dann schon wieder zurücktreten. In der folgenden Wahlkampagne werden sicher wieder nur die Männchen Chancen haben. Werner Raith

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