: Erste Schritte im Revier des einstigen Satans
■ Als erster Staatschef Irans seit der Revolution absolviert Präsident Chatami einen mehrtägigen Staatsbesuch in Italien. Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen geplant
Rom (taz) – Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen ist in Rom der iranische Staatschef Mohammed Chatami zu einem dreitägigen Staatsbesuch eingetroffen und sofort von Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro empfangen worden. Für heute sind Gespräche mit Ministerpräsident Massimo D‘Alema, dem Bürgermeister von Rom, Rutelli, sowie ein Besuch in Florenz vorgesehen. Morgen wird Chatami dann noch dem Papst seine Aufwartung machen.
Es ist der erste offizielle Besuch eines iranischen Staatschefs im Westen seit der Abdankung von Schah Reza Pahlevi und der islamischen Revolution von 1979. Weitere Besuche in EU-Staaten, Frankreich und England, sind für die nächsten Monate vorgesehen.
Der als gemäßigt geltende Chatami hat bereits im Vorfeld erkennen lassen, daß seine Politik eine zwar nicht überstürzte, aber doch entschiedene Wiederaufnahme guter Beziehungen zu den vordem als „Satansbrut“ geschmähten westlichen Staaten und speziell zu Europa verfolgen wird. Er steht dabei allerdings unter scharfer Beobachtung der religiösen Führer des Landes. Italiens Geheimdienste haben eine Reihe von möglichen Kontrolleuren des Politikers ausgemacht und dafür gesorgt, daß sie klammheimlich aus der Hauptstadt entfernt wurden.
Chatami hat Italien wohl aus mehreren Gründen als erstes westliches Land gewählt: die Beziehungen zu Italien waren auch in den härtesten Zeiten der letzten zwanzig Jahre stets einigermaßen gut, Sanktionen und Boykott-Aufrufe hat das Land meist elegant unterlaufen. Auch als die Beziehungen nach dem Mykonos-Prozeß auf Null sanken, blieben die meisten italo-iranischen Kanäle offen. Vor allem aber trifft Chatami Italiens Regierungschef in einem besonders günstigen Moment – D‘Alema ist vor zwei Tagen aus den USA zurückgekehrt und hat nach Angaben seiner Berater eine Menge Botschaften und Sondierungs-Aufträge von US-Präsident Bill Clinton mitgebracht.
Nicht alle sind freilich mit dem Besuch des Iraners einverstanden. An die fünftausend Exiliraner und Oppositionelle wollen sich heute in Rom zu einem Potestmarsch formieren. Zudem kursierte in den letzten Tagen eine vom rechtsliberalen Abgeordneten Marco Taradash in Umlauf gebracht Liste, die die Menschenrechtsverletzungen im Iran anprangern.
Angeblich hatten bis gestern an die 350 Abgeordnete unterschrieben, das wäre fast die Hälfte der Volksvertreter. Allerdings wurde die Liste nicht öffentlich vorgezeigt, und viele derer, die als Unterzeichner genannt wurden – darunter mehrere Minister – erklärten ausdrücklich, niemals derartiges unterschrieben zu haben.
Daß die Proteste als solche keineswegs aus der Luft gegriffen sind, zeigten Nachrichten, die just in den Minuten der Landung Chatamis aus dem Iran kamen. Dort war soeben ein halbes Dutzend Männer zum Tode verurteilt worden, weil sie angeblich ohne Erlaubnis Perserteppiche aus dem Land zu schmuggeln versucht hatten. Papst Johannes Paul II. derzeit einer der eifrigsten Gegner der Todesstrafe, wird außer der Frage der Religionsfreiheit wohl noch ein weiteres Thema in die Tagesordnung der Gespräche aufnehmen können. Werner Raith
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