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Kurdenpartei darf an türkischen Wahlen teilnehmen

■ Das Verfassungsgericht in Ankara verwirft den Ausschluß der Hadep

Istanbul (taz) - Dank einer Entscheidung des Verfassungsgerichts kann bei den bevorstehenden Wahlen am 18. April nun doch jeder türkische Wahlberechtigte, der das möchte, der prokurdischen Demokratischen Volkspartei Hadep seine Stimme geben. Am Montag abend lehnte das Oberste Gericht der Türkei einen Antrag des Generalstaatsanwaltes ab, die Hadep per einstweilige Verfügung von den Wahlen auszuschließen. Generalstaatsanwalt Vural Savas hatte behauptet, die Hadep plane, die kurdischstämmige Bevölkerung des Landes durch Drohungen, beispielsweise, man werde ihr Dorf abbrennen, dazu zu zwingen, die Partei zu wählen.Die Richter hielten die Beweise der Staatsanwaltschaft jedoch für nicht ausreichend.

Der Vorstoß des Generalstaatsanwaltes hat jedoch einen anderen Hintergrund. Vor gut einem Monat, also noch bevor der türkische Geheimdienst den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, in Nairobi entführte, hatte Vural Savas ein Verbot der Hadep beantragt. Dieses Verbotsverfahren läuft, wird aber erst nach einem längeren Anhörungsverfahren und einer regulären Verhandlung irgendwann im Sommer entschieden. Nach der Verhaftung Öcalans und dessen angeblichen Aussagen über die engen Verbindungen zwischen PKK und Hadep glaubte Savas, der Hadep noch vor den Wahlen den Todesstoß versetzen zu können. Da Savas seinen Antrag aber nicht mit offiziell noch gar nicht existierenden Aussagen Öcalans begründen konnte, mußte er sich etwas anderes einfallen lassen - eben die angebliche Bedrohung der Bevölkerung durch die Partei.

Das mochten die Richter aber denn doch nicht glauben. Nach übereinstimmenden Informationen mehrerer Leute, die gelegentlich mit der Hadep zusammenarbeiten, ist die Partei derzeit organisatorisch so geschwächt, daß sie zu solchen Aktionen kaum in der Lage wäre. Der Vorwurf macht aber auch deshalb keinen Sinn, weil es im Südosten des Landes genügend Menschen gibt, die der Hadep ganz freiwillig ihre Stimme geben werden.

Bei den letzten Wahlen im Jahr 1995 ereichte die Hadep in einigen Wahlkreisen im mehrheitlich von Kurden bewohnten Osten der Türkei mehr als 60 Prozent. Trotzdem blieb die Partei landesweit mit 4,3 Prozent weit unter der 10-Prozent-Hürde, weil sie im Westen, in den kurdisch bewohnten Slumgebieten von Istanbul, Izmir oder Ankara, kaum gewählt wurde. Das wird diesmal wahrscheinlich wieder so sein. Es sei denn, als Reaktion auf die Verhaftung Öcalans wählen dieses Mal auch im Westen mehr Kurden die Hadep.

In welchem Ausmaß Stimmen für die Hadep eigentlich Stimmen für Öcalan sind, ist schwer einzuschätzen. Der Hadep, die 1995 als Nachfolgeorganisation der DEP gegründet wurde, ist von offizieller Seite von Beginn an vorgeworfen worden, sie sei eine Tarnorganisation der PKK. Die Partei bestreitet dies kategorisch. Es gebe lediglich einige Parteimitglieder, die Sympathien für den Kampf der PKK hegten, heißt es offiziell. Die Staatsanwaltschaft verweist dagegen auf Parteiveranstaltungen, bei denen PKK-Fahnen und Porträts von Öcalan geschwungen und türkische Fahnen verbrannt wurden.

Über die Frage des Verhältnisses zur PKK hat es innerparteiliche Richtungskämpfe gegeben. Einige Verfechter einer von der PKK unabhängigen Linie haben die Partei im letzten Sommer verlassen.

Trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichts wird die Hadep nach Einschätzung politischerBeobachter wohl im Sommer verboten werden. Für diesen Fall bereitet die Partei eine Auffangorganisation vor, in die nach einer gewissen Frist die Mitglieder dann erneut eintreten können.

Jürgen Gottschlich

Kommentar Seite 12

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